Das Zweite Vatikanische Konzil und seine Folgen

Keine Grabenkämpfe, keine Allzweckwaffe

Bald jährt sich der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 50. Mal. Ein Treffen, das die Kirche gespaltet hat? Nein, sagt Kurienkardinal Walter Kasper. Ein Treffen, das schon bald wiederholt werden sollte? Nein, sagt der Mainzer Kardinal Karl Lehmann.

50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil (KNA)
50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil / ( KNA )

Der ehemalige Vorsitzende der deutschen Bischöfe hat sich am Samstag (29.09.2012) gegen Forderungen nach häufigeren Konzilen gewandt. "Konzile dürfen nur in dringlichen Situationen durchgeführt werden, wenn die Lehre und Praxis der Kirche grundlegend auf dem Spiel steht", betonte Lehmann in einem Interview des Internetportals "katholisch.de". Heute gebe es viele andere Formen der Meinungsbildung unter den Bischöfen, meinte der Mainzer Bischof unter Hinweis auf die verschiedenen Typen einer Bischofssynode in Rom - auf Weltebene oder für einzelne Kontinente oder Länder - sowie die Mitwirkung der Bischöfe aus aller Welt in den römischen Behörden und die leichten Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten.



Zu dem auf mehrere Jahre angelegten Dialogprozess in der deutschen katholischen Kirche meinte Lehmann, dieser könne im bevorstehenden "Jahr des Glaubens" eine "lebendige religiöse und spirituelle Mitte finden, die alles trägt". Der Dialog sei "die unersetzliche Form der Zusammenarbeit heute in der Kirche". Er müsse aber "sehr ernsthaft und gut vorbereitet sein, gerade auch, wenn die Etappen dieses Prozesses ziemlich kurz sind", betonte der Kardinal. Vor allem aber müsse der Dialogprozess die anstehenden Fragen einer Lösung näherbringen, sonst sei die Enttäuschung groß.



Kasper: Konzil hat keine liberal angepasste Kirche bewirkt

Gegen "die Grabenkämpfe zwischen Konservativen und Progressiven" in der Kirche hat sich dagegen der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper gewandt. In einem Beitrag zum vor 50 Jahren begonnenen Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) betonte Kasper in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag), die gegenwärtige Situation fordere von den Vertretern der Kirche vor allem, dass sie von Gott sprächen. "Das Konzil hat nicht einen Übergang zu einer liberal angepassten Kirche eingeleitet, sondern zu einer aus ihren Wurzeln geistlich erneuerten und zugleich dialogoffenen, für das Heil der Menschen engagierten Kirche", so der frühere "Ökumeneminister" des Vatikan.



Die Texte des Konzils enthalten nach Einschätzung Kaspers viele Kompromissformeln zwischen der reformorientieren Mehrheit und der konservativen Minderheit der Bischöfe und bergen somit "enormes Konfliktpotenzial". Sie dürften nicht als "Steinbruch" angesehen werden, "aus dem man Material für die jeweils gewünschte These holen darf". Als positive Folge des Konzils nannte Kasper vor allem die Entwicklung neuer geistlicher Bewegungen seit den 1970er Jahren, "die in Deutschland aber leider kaum verbreitet sind". Zu den "Schattenseiten" zähle der "Exodus vieler Priester und Ordensleute" in den beiden ersten Jahrzehnten nach dem Konzil und ein "Niedergang der kirchlichen Praxis". Es sei jedoch "kurzschlüssig zu meinen, dass alles, was nach dem Konzil geschah, auch wegen des Konzils geschehen ist", betonte Kasper unter Hinweis auf die "langfristigen religionssoziologischen Entwicklungslinien".



Weiter meinte der Kardinal, viele Impulse des Konzils, etwa die Betonung der Orts- beziehungsweise Einzelkirchen, die Kollegialität des Episkopats und die Mitverantwortung der Laien, seien "bisher nur halbherzig verwirklicht worden". Dagegen habe der kuriale Zentralismus zugenommen. Jüngere Erfahrungen hätten gezeigt, "wie sehr die römische Kurie selbst einen Reform- und Modernisierungsschub nötig hätte".