Wie der Mont Saint-Michel wieder zur Insel wird

"Das Wunder des Abendlandes"

Seine Silhouette ist weltbekannt: Der Klosterberg Mont Saint-Michel vor der bretonisch-normannischen Küste ragt pyramidenförmig in den Himmel, offiziell liegt er heute in der Normandie. Seit vielen Jahrhunderten zieht er Pilger und Touristen in Bann. Aber zuletzt drohte die Bucht um ihn herum immer mehr zu versanden und der Mont seinen Inselcharakter zu verlieren. Um das zu verhindern und den Status des Mont Saint-Michel als UNESCO-Weltkulturerbe zu bewahren, hat der französische Staat zwei Jahrzehnte lang um die 200 Millionen Euro in ein groß angelegtes Renaturierungsprojekt investiert.

Mont Saint-Michel von oben / © Thomas Jouanneau
Mont Saint-Michel von oben / © Thomas Jouanneau

Ein Straßendamm aus dem 19. Jahrhundert wurde durch eine leichte Brückenkonstruktion ersetzt, Parkplätze vom Fuß des Mont aufs Festland verlegt und der Staudamm am Mündungsfluss Couesnon nach ökologischen Gesichtspunkten völlig umgestaltet. In diesem Sommer werden die langjährigen Bauarbeiten beendet sein - und die Besucher reich belohnt: Bei den vielen Springfluten in diesem Jahr wird der Mont Saint-Michel wieder komplett vom Wasser umspült – und sein maritimer Charakter damit wieder hergestellt.

Schon bisher kamen pro Jahr etwa 3,5 Millionen Menschen zum Mont Saint-Michel, der neben dem Eiffelturm und dem Schloss von Versailles zu den meist besuchten Touristen-Attraktionen Frankreichs gehört. Durch die Neugestaltung könnten diese Zahlen nun weiter steigen. Kultur- und Kunstfreunde kommen auf dem Mont genauso auf ihre Kosten wie religiös Interessierte: Die Abtei oben auf dem Berg ist ein herausragendes Beispiel normannischer Architektur. Romanische und gotische Elemente verschmelzen und geben der Klosterkirche hoch oben auf dem Klosterberg ihr charakteristisches Aussehen.

Gegründet hat die Abtei der Heilige Aubert, der im 8. Jahrhundert Bischof des nahe gelegenen Städtchens Avranches war. Immer wieder zog er sich zum Beten auf die felsige Gezeiteninsel zurück. Der Legende nach soll ihm der Erzengel Michael dann den Auftrag gegeben haben, auf der Insel eine Kapelle zu errichten. Als Aubert nicht reagierte, erschien ihm der Erzengel abermals und bohrte ihm mit dem Finger ein Loch in den Schädel. Nach einer dritten Vision ließ Aubert endlich den Grundstein legen und Reliquien des Heiligen Michael aus dem süditalienischen Wallfahrtsort Monte Sant’Angelo kommen.

Am 16. Oktober des Jahres 709 dann wurde die erste kleine Kirche auf dem Mont geweiht und von zwölf Kanonikern bezogen. Ab 966 lebten Benediktiner hier, deren „Ora et Labora“ den Mont Saint-Michel bis zur französischen Revolution prägte. Die Abtei genoss europaweit höchstes Ansehen und zog als „Wunder des Abendlandes“ große Pilgerströme an. Nach der Revolution wurde die Klosteranlage in ein berüchtigtes Gefängnis umgewandelt, das mönchische Leben kam fast 200 Jahre lang zum Erliegen. Erst ab Mitte der 1960er Jahre kehrten einzelne Ordensleute auf den Klosterberg zurück. Seit dem Jahr 2001 kümmern sich jetzt Schwester und Brüder der Gemeinschaft von Jerusalem um die Abtei und die Seelsorge auf dem Mont Saint-Michel.