Das Weltsozialforum in Belem geht zu Ende

"Wir sind halt nicht die Schweiz"

Muntere Diskussionen und allgemeines Organisationschaos - nach sechs Tagen ging am Sonntag das Weltsozialforum in der Amazonasmetropole Belem zu Ende. Die meisten Teilnehmer und Organisatoren zogen trotz teils anarchischer Organisation eine positive Bilanz des als Gegenentwurf zum Weltwirtschaftsforum in Davos ins Leben gerufenen Events.

Autor/in:
Thomas Milz
 (DR)

Unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" trafen sich gut 100.000 Teilnehmer und Vertreter der Zivilgesellschaft aus über 150 Ländern, um über soziale Gerechtigkeit, die Zerstörung des Amazonaswaldes und die Rechte der darin lebenden indigenen Völker zu diskutieren. Doch wie nicht anders zu erwarten, überschattete die akute Finanz- und Wirtschaftskrise die hehren Absichten.

So war viel Schadenfreude über das Straucheln des globalen Kapitals und viel Schulterklopfen bei all jenen Veteranen der globalen Zivilgesellschaft zu sehen, deren altbekannte Szenarien vom Untergang des Kapitalismus über Nacht Wirklichkeit zu werden scheinen. Der Geist von 1968 wehte durch so manche Veranstaltung.

Auch die zu einem Kurzauftritt nach Belem gekommenen Präsidenten Hugo Chavez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien), Fernando Lugo
(Paraguay) und Rafael Correa (Ekuador) schwelgten eher in sentimentalen Erinnerungen an Che Guevara und Fidel Castro, als dass sie neue Ideen präsentieren konnten. Und auch Brasiliens Staatschef Luiz Inacio "Lula" da Silva hatte seinen markigen Sprüchen wie "Der Gott Markt ist tot" keine wirklich konkreten Vorschläge hinzuzufügen.

Es war Lulas erster Auftritt auf einem Weltsozialforum seit 2005, als er in Porto Alegre wegen seiner Wirtschaftspolitik ausgepfiffen wurde. Seine Rückkehr nach Belem zeigt seine Bemühungen, bei den sozialen Basisbewegungen Brasiliens wieder zu punkten. Doch für viele der aus aller Welt angereisten Teilnehmer lenkten die medienwirksamen Kurzauftritte der fünf Präsidenten eher ab, als dass sie dem Forum Positives beisteuern konnten.

Netzwerke zwischen den Nichtregierungsorganisationen
Für sie bot Belem vor allem die Gelegenheit, globale Netzwerke zwischen den Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu knüpfen. Selten habe ein Weltsozialforum derart effiziente Diskussionsrunden geboten wie hier, war von vielen NGO-Vertretern zu hören. Dem konnten auch die teilweise anarchischen Organisationsstrukturen des Forums letztlich nichts anhaben. Sie gaben dem "Urwald-Woodstock" sogar einen gewissen Charme, was sicherlich auch an der diesmal erstaunlich hohen Zahl jugendlicher Teilnehmer lag.

In Belem wurde deutlich, dass hinter dem Weltsozialforum keine homogene Gruppe steht, sondern ein lockerer Zusammenschluss Hunderter NGO verschiedenster thematischer Ausrichtungen. Eine gemeinsame Abschlusserklärung ist deswegen nicht vorgesehen, wäre wohl auch nicht zu realisieren. Und auch die Frage, wo und wann das nächste Forum stattfinden wird, blieb offen. "Wir sind halt nicht die Schweiz", gab ein argentinischer Teilnehmer zu bedenken.