Das Weltkloster am Bodensee will Religionen zusammenbringen

Gemeinschaft im getrennten Glauben

Buddhistische Mönche beten gemeinsam mit katholischen Nonnen. Was sich nach Wunschdenken anhört, ist seit 15 Jahren im Weltkloster am Bodensee Realität. Nun will das interreligiöse Projekt sein Angebot ausweiten.

Autor/in:
Samuel Dekempe
Sonnenuntergang am Bodensee - hier treffen sich auch immer wieder buddhistische Mönche und katholischen Nonnen. / © Felix Kästle (dpa)
Sonnenuntergang am Bodensee - hier treffen sich auch immer wieder buddhistische Mönche und katholischen Nonnen. / © Felix Kästle ( dpa )

Der katholische Theologe Hans Küng formulierte Anfang der 1990er Jahre den Satz: "Kein Frieden unter den Nationen, ohne Friede unter den Religionen." Ein Projekt, das sich diesem Grundsatz verschrieben hat, steht am Rande der Altstadt von Radolfzell am Bodensee: In einem ehemaligen Kapuzinerkloster wurde 2002 das "Weltkloster" gegründet. Ein Ort, der verschiedene Religionen zusammenbringen soll. Nun will das Projekt sein bislang regionales Angebot auf den deutschsprachigen Raum ausweiten. Wie das genau aussehen soll, soll in einigen Monaten entschieden werden.

Verbindende Werte, unverrückbare Maßstäbe und persönliche Grundhaltung

Rückblick: Anfang der 2000er hat die Stadt Radolfzell Großes vor. In ein leerstehendes Kapuzinerkloster soll eine Gemeinschaft verschiedener Religionen einziehen. Damals war das von Küng begründete Projekt Weltethos in aller Munde. Der Theologe entwickelte seine Idee von verbindenden Werten, unverrückbaren Maßstäben und persönlichen Grundhaltungen. Neben dem Kloster hätte zudem eine Akademie und ein Hotel mit mehr als 100 Betten entstehen sollen - in der Planungsphase springen jedoch Sponsoren ab, und das Projekt gerät unter Druck.

Nach einigen misslungenen Rettungsversuchen fällt die Entscheidung gegen das Großprojekt und für ein kleines interreligiöses Zentrum im ehemaligen Kloster. Unter dem Namen "Weltkloster" finden in unregelmäßigen Abständen Einkehrtage, Vorträge und Fachtagungen zum interreligiösen Dialog statt. Welche Richtung das Projekt jedoch einschlagen soll, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.

Rabbiner, Sufis, hinduistische Mönche zu Besuch

2008 zieht sich die Stadt vollends vom Weltkloster zurück, und es gründet sich ein Trägerverein unter dem Vorsitz der Religionswissenschaftlerin Alexandra Mann. Seitdem liegt der Schwerpunkt nicht mehr darin, über Religionen zu informieren, sondern Ordensleute verschiedener Spiritualität am Bodensee zusammenzubringen.

Und das funktioniert: 2009 ziehen zwei Nonnen der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz aus dem nahe gelegenen Kloster Hegne in das villagroße Weltkloster ein, das fünf Appartements, zwei Meditations- und Büroräume bietet. Seitdem kommen jeweils für ein paar Tage nach und nach Ordensleute anderer Religionen an den Bodensee: Rabbiner, Sufis, hinduistische Mönche. Sie teilen mit den Ordensschwestern für einige Zeit den Alltag. "Die Ordensleute sollen sich bei Dialog und Meditation kennenlernen", erklärt Mann. Im Juli vergangenen Jahres gaben die zwei Ordensschwestern ihre Rolle als dauerhafte Bewohner dann an eine deutsche buddhistische Nonne ab. Der Ansatz, dass sich Ordensleute verschiedener Religionen auf Augenhöhe begegnen und voneinander lernen, sei bundesweit einzigartig, sagt Mann. Ähnliche Ansätze gebe es aber auch in anderen Kulturen, etwa im südindischen Meditationszentrum des Jesuitenpaters Sebastian Painadath.

Gemeinsame Rituale, Meditationen, Gebete

Grundlegend für das Konzept sind gemeinsame Rituale, Meditationen, Gebete - nicht nur in Radolfzell: Vor einem Jahr begleitete Mann zwei Buddhistinnen für einige Tage in ein Karmelitinnen-Kloster bei Dachau. Die Buddhistinnen beten dort die Stundengebete mit und lernen so den christlichen Glauben und seine Rituale besser zu verstehen.

"Ein Dialog zwischen Religionen kann nur funktionieren, wenn man auf die Ebene der inneren Erfahrung geht", sagt Mann. Schließlich gehe es nicht darum, dass die Religionsvertreter miteinander diskutieren. "Es ist unwichtig, wer Recht hat. Im Mittelpunkt steht die spirituelle Erfahrung."

Keine professionelle Verwaltung

Dass keine religiöse Organisation hinter dem Trägerverein steht, hat Vorteile, aber auch negative Seiten: Obwohl das Projekt bereits seit etwa 15 Jahren läuft, gibt es noch keine professionelle Verwaltung; vor allem Ehrenamtliche engagieren sich. Zudem ist das Weltkloster auf Spenden angewiesen. Zurzeit stellt die Stadt das alte Klostergebäude kostenfrei zur Verfügung - in zwei Jahren läuft dieser Vertrag aus.

Künftig sollen die interreligiösen Veranstaltungen nicht nur in Radolfzell, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum angeboten werden. So will das Weltkloster etwa bei der im November in Zürich stattfindenden Woche der Religionen eine interreligiöse Feier mit Elementen aus dem Christentum, Judentum, Islam und den fernöstlichen Religionen anbieten.

Solche Feiern und das Verstehen anderer Religion würden gerade wegen der Flüchtlingsdebatte immer wichtiger, sagt Mann. "Wir müssen auf einen gemeinsamen Nenner kommen." Einen solchen Schnittpunkt sieht sie in den religionsübergreifenden Werten Nächstenliebe, Selbstlosigkeit und Mitgefühl.


Nonnen / © Alexander Foxius (DR)
Nonnen / © Alexander Foxius ( DR )

Buddhistische Mönche / © Rungroj Yongrit (dpa)
Buddhistische Mönche / © Rungroj Yongrit ( dpa )
Quelle:
KNA