Das mysteriöse Ableben des bayerischen Monarchen vor 125 Jahren

"König Ludwig II. ist todt"

Pfingstsonntag, 13. Juni 1886: In Schloss Berg am Starnberger See macht man sich Sorgen. Es ist 20 Uhr, und der Regen "etwas intensiver" geworden, doch König Ludwig II. und Obermedizinalrat Bernhard Gudden sind von ihrem Abendspaziergang noch immer nicht zurück. Der Auftakt eines 125 Jahre andauernden Rätsels.

Autor/in:
Barbara Just
 (DR)

Eigentlich war für diese Zeit das Souper angeordnet, doch nun schwirren Schloss-, Gendarmerie- und Pflegepersonal aus, um im Park nach den beiden zu suchen. Zwischen

18.30 und 18.45 Uhr waren sie aufgebrochen, wobei zuvor Gudden ausdrücklich befohlen hatte: "Es darf kein Pfleger mitgehen."



Lampen und Fackeln erhellen das Gelände. Gegen 22 Uhr entdeckt ein Hofoffiziant nahe am Ufer den Überrock des Königs, in dem der Leibrock steckt. Auf einer Kiesbank taucht sein Regenschirm auf, 60 Schritte entfernt sein Hut. Eine Stunde später besteigen Guddens Assistenzarzt und der Schlossverwalter ein Fischerboot. Sie müssen nicht weit fahren, da schwimmt im seichten Wasser ein Körper: der König, in Hemdsärmeln, dahinter jener seines Leibarztes, vollständig bekleidet. Beide werden ins Boot gezogen. Wiederbelebungsversuche am Ufer schlagen fehl. Um Mitternacht wird offiziell der Tod der beiden festgestellt.



Ärztliche Ferndiagnose

In den Extrablättern der Zeitungen ist es am nächsten Tag die Eilmeldung des Jahres: "König Ludwig II. ist todt." Die "Neuesten Nachrichten" mutmaßen, dass sich der hervorragende Gelehrte Gudden von der Freundlichkeit seines irren Patienten habe täuschen lassen und so zu dessen Opfer geworden sei. Vermutlich ein gezielt gesteuerter Beitrag, der die Ereignisse der Tage davor rechtfertigen soll.



Auf Grundlage einer ärztlichen Ferndiagnose hatten die Minister den König entmündigen, in Schloss Neuschwanstein verhaften und nach Berg bringen lassen. Dort fand sich Ludwig II. in einem Zimmer unter ständiger Beobachtung wieder. An der Tür fehlte innen die Klinke.



Viele Theorien

Um den Tod des Regenten ranken sich bis heute Legenden. Auch der Ur-Ur-Enkel des letzten bayerischen Königs Ludwig III., Prinz Ludwig von Bayern, kann das Rätsel nicht lösen. Es gebe viele Theorien, einige sehr plausibel, andere eher abstrus, sagt der 28-jährige Jurist. "Wir wissen nicht mehr als die Historiker", räumte er jüngst gegenüber einer Tageszeitung ein. Von einer Sarg-Öffnung hält er nichts, weil dies ein massiver Eingriff in die Totenruhe wäre.



Dabei wurde vor 125 Jahren eine Leichenobduktion durchgeführt, die wegen der Feiertage erst am Dienstag nach Pfingsten stattfand. Mehr als zehn Ärzte und mehrere Beamte seien anwesend gewesen, die Obduktionsberichte voll erhalten, versichert der Wittelsbacher Spross. An der Glaubwürdigkeit dieser Dokumente sollte angesichts der hohen Zahl an Augenzeugen kein ernsthafter Zweifel bestehen.



Suizid wahrscheinlich

Am wahrscheinlichsten ist nach wie vor ein Suizid. Jedenfalls kamen zu diesem Schluss ein ehemaliger Staatsanwalt, Richter und Experten für Kriminalstatistik, wie Prinz Ludwig weiß. Sie hatten vor 25 Jahren vom damaligen Chef des Hauses Wittelsbach, Herzog Albrecht, die Erlaubnis bekommen, im Geheimen Hausarchiv zu recherchieren. Aber gesichert ist diese Variante nicht, nicht einmal die genaue Todeszeit. Denn während Ludwigs Uhr, in die zwischen Glas und Ziffernblatt Wasser eingedrungen war, um 18.54 Uhr stehenblieb, verharrten die Zeiger bei Gudden auf 20 Uhr.



Die Anteilnahme der Bevölkerung am Tod ihres Königs ist riesig. Drei Tage lang stehen die Leute Schlange an den Toren der Münchner Residenz, um dem in der Alten Kapelle aufgebahrten Leichnam die letzte Ehre zu erweisen, schreibt der Historiker Ludwig Hüttl. Das Leichenbegängnis findet am 19. Juni statt. Über eine Stunde dauert es, bis der Zug mit dem Katafalk in der Jesuitenkirche Sankt Michael ankommt. Es folgt eine kurze kirchliche Feier. Als alles vorbei ist, zieht ein Unwetter auf - mit Blitz und Donner. Das "Bayerische Vaterland" kommentiert: "Das war das himmlische Finale zu dem irdischen Trauerakte."