Das Maiglöckchen

Glocken zu Tale im Mai

Das Maiglöckchen steht für den Monat Mai  - aber in diesem Jahr ist es eher ein "Juniglöckchen."  Bescheiden blüht es im Schatten, steckt aber voller Symbolik – und auch voller Gift.

Maiglöckchen / © St.Q.
Maiglöckchen / © St.Q.

Zu den mittelalterlichen Schätzen des Wallraff-Richartz-Museums in Köln gehört das Altarbild "Weltgericht" von Stefan Lochner. Engel und Teufel stehen sich gegenüber, die teuflischen Viecher zerren an den armen menschlichen Kreaturen; die aber hoffen, dass ein Engel sie an der Hand ergreift und hinüberzieht zur Himmelspforte. Und genau dort, wo der erste Engel steht, da wächst zu Füßen seines weißen Gewandes ein Maiglöckchen. Es wächst dort, wo die Verheißung des Heils Wirklichkeit wird, und all das irdische Leid endet. Das Maiglöckchen steht für Hoffnung und Liebe schlechthin, vielleicht wegen der reinweißen Blüte, vielleicht weil mit ihm tatsächlich der Frühling endlich da ist, vielleicht weil es so bescheiden ist.

Anspruchslos aber giftig

Das Maiglöckchen, „Convallaria majalis“, wurzelt mit seinen Rhizomen gern im lichten Schatten von Buchen und Eichen. Im Mai und Juni leuchten seine weißen Blütenglöckchen, daraus reifen dann rote Beeren. Das Maiglöckchen ist komplett giftig, besonders aber Blüten und Früchte. Um auf diese Gefahr aufmerksam zu machen, wurde das Maiglöckchen sogar zur Giftpflanze des Jahres 2014 gewählt.

Diese Giftigkeit tat der Verehrung des Maiglöckchens aber nie einen Abbruch, zu verführerisch ist wohl sein Duft. Im Christentum wurde es schnell Maria zugeordnet, der Legende nach wuchs es dort, wo Maria ihre Tränen unterm Kreuz vergoss. Marienträne, Marienblume heißt es denn auch und blüht eben im Marienmonat Mai. Und Gift muss ja auch nicht immer tödlich sein, sondern kann auch zum Heil beitragen. Das Maiglöckchen hatte zumindest immer schon seinen Platz in der Heilkunde. Im 16. Jahrhundert beschreibt der Naturforscher Adam Lonitzer eine Rezeptur aus den Blüten des Maiglöckchens:

"Die Blüten beize vier Wochen lang in Wein, dann seihe den Wein ab und destilliere ihn fünfmal (...). Dieser destillierte Wein ist besser als Gold. Wer diesen Wein mit sechs Pfefferkörnern und ein wenig Lavendelwasser einnimmt, der muss sich diesen Monat nicht vor Schlaganfall fürchten."

Herzstärkend und glücksbringend

Zur Nachahmung nicht empfohlen, aber auch nicht so ganz falsch. So finden sich heute die Giftstoffe des Maiglöckchens in medizinischen Präparaten zur Stärkung des Herzens. Aber selbst bitte die Finger davon lassen und Achtung: die Blätter des Maiglöckchens verwechselt man schnell mit dem Bärlauch. Der Anbau an sich im eigenen Garten ist aber problemlos, anfangs sollte das schattige Plätzchen feucht gehalten werden, später übersteht das Maiglöckchen auch Trockenheit und wuchert munter voran. Der lateinische Name Convallaria leitet sich ab von convallis, das Tal, der Talhang, und beschreibt eben die Lieblingsplätze vom Maiglöckchen. Hoffmann von Fallersleben dichtete denn auch im 19. Jahrhundert, als das Maiglöckchen regelrecht eine Modepflanze wurde:

Maiglöckchen läutet in dem Tal,
das klingt so hell und fein,
so kommt zum Reigen allzumal,
ihr lieben Blümelein! (…)

Maiglöckchen spielt zum Tanz im Nu
und alle tanzen dann.
Der Mond sieht ihnen freundlich zu,
hat seine Freude dran. (…)

Nun hält's auch mich nicht mehr zu Haus
Maiglöckchen ruft auch mich.
Die Blümchen gehn zum Tanze aus,
zum Tanzen geh auch ich!

Übrigens: Wer Maiglöckchen am 1. Mai bei sich trägt, soll das ganze Jahr Glück haben – deshalb ist der 1. Mai in Frankreich auch der "Maiglöckchentag" (jour de muguet), überall kann man dann Maiglöckchensträuße kaufen. (St.Q.)