"Das Kreuz bei der Wahl"

Politik und Kirche

Am 24. September ist Bundestagswahl. Mit Vertretern aus Parteien, Verbänden und der Kirche wird die Wahl aus christlicher Perspektive beleuchtet: Wie politisch darf die Kirche sein?

Wahlplakate für die Bundestagswahl 2017 / © Wolfgang Kumm (dpa)
Wahlplakate für die Bundestagswahl 2017 / © Wolfgang Kumm ( dpa )

Kerstin Griese ist Bundestagsabgeordnete der SPD und steckt  mitten im Wahlkampf. Als religionspolitische Sprecherin kennt die Pfarrerstochter sowohl die Positionen der Kirche als auch der Politik: "Oftmals kann die Politik nicht so schnell handeln, wie die Kirche es fordert." Vor allem in den Fragen rund um Flucht, Integration und interreligiösem Dialog sei die Kirche erfahrener. "Ich bin den Kirchen dankbar, sie sind wohl die größte "soziale" Bewegung zur Zeit, in so vielen Gemeinden öffnen sich die Menschen und helfen den Geflüchteten", so Griese.

Religiöse Bildung muss wichtiger werden

Zu den immer wieder kehrenden Forderungen, das Verhätnis zwischen Staat und Kirche neu zu ordnen, sieht Griese darin kein Handlungsbedarf. Im Gegenteil: Die Rolle der Religion sei nicht zu unterschätzen. An Schulen solle beispielsweise auf religiöse Bildung mehr Wert gelegt werden. Auf die Frage, ob politische Reden von der Kanzel Sinn machen, hat die SPD-Bundestagsabgeordnete eine klare Meinung: "Kirchen können nicht zur Wahl einer bestimmten Partei aufrufen, aber sehr wohl zeigen, dass wir Christen auch eine politische Verantwortung haben."

Zum Thema Religionsfreiheit hat das katholische Missionswerk Missio Antworten von verschiedenen Parteien angefordert und auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt. Johannes Seibel erkennt eine Zunahme des Themas in den Positionspapieren der Parteien. „Wir haben die Parteien ausgewählt, die schon in den letzten beiden Legislaturperioden Verantwortung im Bundestag übernommen haben, sonst wäre eine Analyse nicht möglich gewesen", so Seibel. "Alle von diesen Parteien befassen sich wesentlich stärker mit dem Thema, als noch vor acht Jahren."

Religionsfreiheit in Deutschland?

Insgesamt sei Seibels Eindruck, dass die bedrohte Religionsfreiheit, die es in so vielen Ländern gibt, auch nach Deutschland ausstrahle. Die massive Abgrenzung zu anderen Religionen, mit der die Alternative für Deutschland (AfD) hetzt, beklagt Prälat Karl Jüsten, der Leiter des Katholischen Büros in Berlin. Generell habe sich die AfD massiv gegen die Kirchen gestellt, mit dem Menschenbild könne die katholische Kirche nicht überein kommen, so Jüsten. Der Dialog mit den anderen Parteien sei sehr ausgeprägt, in Themen wie das Embryonenschutzgesetz oder der Sonntagsschutz werde die Kirche sich weiter kräftig einbringen.

Prälat Jüsten geht auf das ökumenische Papier der evangelischen und katholischen Kirche ein, dass zur Stimmabgabe bei der Wahl aufruft, nicht auf politische Empfehlungen. Persönlich finde er den Wahlkampf "hochspannend" und alles andere als langweilig, wie oft zitiert: „Die Parteien gehen sehr anständig miteinander um und Themen gibt es genügend.“ Der Meinung kann sich der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, anschließen. Trotzdem würden in der öffentlichen Diskussion die sozialen Inhalte nur undifferenziert betrachtet werden. 

Ungleiche Verteilung innerhalb Deutschlands

Viele kennen den Wahlomaten – dort kann man sich im Internet durchklicken. Am Ende vieler Fragen findet man die Partei, mit deren Aussagen man am meisten übereinstimmt. Die Diakonie Deutschlands bietet etwas Ähnliches an, aber das konzentriert sich auf soziale Fragestellungen: Auf die Themen Familie, Flucht, Pflege und Armut. "In den unterschiedlichen Regionen Deutschlands herrscht eine zunehmend ungleiche Verteilung" dieser sozialpolitischen Fragen. Eine soziale Teilhabe werde damit abgeschnitten, was sicherlich auch auf das Problem der Nichtwähler zurückzuführen sei, erklärt Lilie.

Anfang September 2017 titelt das politische Magazin "Cicero": Wie politisch darf Kirche sein? Die Autorin des Leitartikels ist Sophie Dannenberg. Sie ist selbst Atheistin und hat schon einige Male mit dem Gedanken gespielt, sich in einer der christlichen Kirchen taufen zu lassen. Doch ein gewichtiger Aspekt hat sie in der Kirche bisher nicht in der Weise gefunden, in der sie danach gesucht hat: Das Spirituelle. "Die Kirche hechelt dem Zeitgeist hinterher", so Dannenberg. Die Flüchtlingskrise haben die Kirchen genutzt, um eine fehlende Transzendenz zu kompensieren, "es gibt nur wenig Gebete oder Andachten neben der "weltlichen" Arbeit am Nächsten."

"Mut zum Kreuz" – junge Wähler für Politik begeistern

Junge Menschen mobilisieren, die vielleicht das erste Mal wählen gehen, das ist die Intention von Annemarie Eckardt und ihrem Team. Sie ist die Sprecherin des Filmprojektes "Mut zum Kreuz – Ergreif Partei". Sie haben im Internet unter www.mut-zum-kreuz.de verschiedene Videos gedreht, die den gleichen Protagonisten in den gleichen Alltagssituationen zeigen. Es unterscheidet sich nur dadurch, dass die fiktive Situation durchgespielt wird, wie sich der Alltag des jungen Erwachsenen ändern würde, wenn eine bestimmte Partei die absolute Regierungsmehrheit hätte – ihr Wahlprogramm also umgesetzt würde.

 

Redaktion: Dr. Christian Schlegel


Quelle:
DR