Vor 200 Jahren - "Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden"

Das Judentum sollte zum Gegenstand moderner Forschung werden

Ein prominentes Mitglied war der Schriftsteller Heinrich Heine: Vor 200 Jahren wurde der "Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden" gegründet - im Gefolge der Aufklärung.

Autor/in:
Von Leticia Witte
Das Judentum sollte zum Gegenstand moderner Forschung werden / © Arne Dedert (dpa)
Das Judentum sollte zum Gegenstand moderner Forschung werden / © Arne Dedert ( dpa )

Das Judentum sollte im Zuge der Aufklärung zum Gegenstand moderner Forschung werden: Im Zusammenhang mit diesem Ansinnen gründete Leopold Zunz vor 200 Jahren den «Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden» - das war am 7. November 1819. Dieser Gruppe gehörten auch Eduard Gans sowie Heinrich Heine an, der evangelisch getaufte Schriftsteller jüdischer Herkunft. Der Verein habe die Schaffung einer Harmonie zwischen der jüdischen und der deutschen Kultur angestrebt, hieß es einmal in einem Beitrag der Deutschen Welle. Also das, was mit Akkulturation gemeint ist.

"Wissenschaft des Judentums"

Anlass für den Medienbericht war im Jahr 2016 eine Ausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum zur "Wissenschaft des Judentums". Das Ausstellungshaus notierte: "Rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Teilhabe erforderten eine neue Form von Bildung jenseits der jüdischen Traditionen. Zur Bildungsreform sollte auch ein neuer Blick auf jüdische Kultur und Geschichte beitragen."

Der 1794 im ostwestfälischen Detmold geborene Zunz, der in diesem Jahr 225 Jahre alt geworden wäre, war der Begründer der Wissenschaft des Judentums und spielte eine wichtige Rolle bei der Emanzipation von Juden. Zunz rief auch die "Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums" ins Leben, die vom Verein herausgegeben wurde.

Entstehung der Judaistik

Ein Jahr vor Gründung des Vereins in Berlin hatte Zunz 1818 als Student die Schrift "Etwas über die rabbinische Literatur" veröffentlicht - damit gilt er als Begründer der Wissenschaft des Judentums und seiner Disziplinen: Judaistik als philologischer Ansatz, Jüdische Studien als kulturelle Betrachtungsweise und Jüdische Theologie. Für Zunz war Judentum mehr als Religion.

Bevor der "Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden" ins Leben gerufen wurde, war es zu den sogenannten Hep-Hep-Unruhen gekommen. In mehreren Städten gab es dabei pogromähnliche Angriffe auf Juden und deren Besitz.

Hep-Hep-Unruhen

"An den Unruhen beteiligten sich vor allem Mitglieder des Zunfthandwerks und der Krämergilden, die gegen die 'Freihandel' treibenden Juden protestierten, sowie Studenten. Hier dokumentierte sich Konkurrenzneid auf eine bisher marginale und verachtete Minderheit, die sich nun zunehmend in gesellschaftlich gehobenen Positionen etablierte", heißt es dazu in einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Ausschreitungen begannen zeitgleich zu einer Debatte im bayerischen Landtag über die Judenemanzipation.

Auch wenn der Verein nach kurzer Zeit scheiterte - das Arbeiten und Wirken von Zunz hatte weitreichende Folgen. Darauf gründen sich etwa auch heutige Institutionen wie die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg und das Abraham Geiger Kolleg in Potsdam.

Hochschule für Jüdische Studien

Apropos Abraham Geiger: Er und Zunz waren Zeitgenossen, beide trugen zur Emanzipation der Juden bei. 1872 eröffnete in Berlin die von Geiger gegründete Hochschule für die Wissenschaft des Judentums als erste akademische Einrichtung des liberalen Judentums weltweit - sie bestand bis 1942, als die Nationalsozialisten sie schlossen. Auch Zunz hatte sich um die offizielle Einrichtung eines Lehrstuhls bemüht - allerdings vergeblich.

Im Juni dieses Jahres feierte die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg ihren 40. Geburtstag. Deren Rektor Johannes Heil nannte Zunz einmal eine "Figur des Übergangs": Er habe die jüdische Tradition neu nutzbar machen und Texte mit Mitteln der Wissenschaft befragen wollen. «Bis heute ist Zunz nicht ausgeschöpft.» Man könne etwa seine Zugangsweisen heute neu lesen und darauf aufbauen.


Quelle:
KNA