Ausstellung "Jüdisches Leben" erzählt konkrete Geschichten

"Das Judentum ist sehr vielfältig"

Aktuell ist in Köln die Wanderausstellung "Menschen, Bilder, Orte - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" zu sehen. Organisatorin Laura Cohn erzählt, warum ihr dabei der Fokus auf persönliche Geschichten so wichtig ist. 

Mann mit Kippa in einer deutschen Innenstadt / © Harald Oppitz (KNA)
Mann mit Kippa in einer deutschen Innenstadt / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Jeder der vier Würfel hat einen Themenschwerpunkt. In einem Würfel erfahren wir zum Beispiel, wie das Miteinander von jüdischen und nichtjüdischen Menschen so funktioniert hat. War das in friedlichen Zeiten denn immer konfliktfrei?

Dr. Laura Cohn (Organisatorin der Ausstellung "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland"): Das kann ich so pauschal gar nicht sagen, aber es gibt ein sehr schönes Beispiel, bei dem es egal war, welche Religion man hatte. Jeder in Köln kennt wahrscheinlich Abraham von Oppenheim, der sich für die Gleichstellung der Juden eingesetzt hat und auch eine Synagoge stiftete. Diese Synagoge wurde dann von dem Protestanten Ernst Friedrich Zwirner gebaut. Und der war ja wiederum Dom-Baumeister. Also da merkt man schon, da hat jeder für die Stadt und für die Stadt-Gemeinschaft gebaut und sich eingesetzt. Das sind ganz schöne Beispiele, die man für ein friedliches Miteinander heranziehen kann.

DOMRADIO.DE: Über Religion und Zeitgeschichte erzählen uns die multimedialen Stationen in einem anderen Würfel. Was sollen die Menschen, die diesen Würfel besuchen, da mitnehmen? Was erhoffen Sie sich davon?

Cohn: Dass man sich bewusst macht: Es gibt nicht das eine Judentum, sondern es ist sehr vielfältig. Es gibt unterschiedliche Strömungen, unterschiedliche Ausrichtungen, genauso wie wir natürlich auch im Christentum, in der christlichen Religion, unterschiedliche Ausrichtungen haben. Und diese verschiedenen Strömungen werden erklärt. Aber es kommt noch alles Mögliche andere dazu, etwa die Geistesgeschichte, die darin erklärt wird, die jüdische Aufklärung.

DOMRADIO.DE: Natürlich gibt es auch die dunklen Kapitel, die Verfolgung und Ausgrenzung jüdischer Menschen. Wie vermitteln Sie die Geschichte dieser Situation in Ihrer Wanderausstellung?

Cohn: Ja, das ist natürlich, wie Sie sagen, ganz, ganz wichtig. Es muss immer erzählt werden, das darf nie vergessen werden. Und das ist ein ganz wichtiger Teil. Wir thematisieren dabei nicht "nur" die Schoah, sondern auch schon die Kreuzzüge, die Pest-Pogrome und Vertreibungen. Wir erläutern das Anhand konkreter Biografien. So funktioniert die ganze Ausstellung. Wir ziehen konkrete Personen heran, bestimmte Ereignisse, politische Umstände, weil das natürlich viel lebendiger und greifbarer ist, als wenn man es im Geschichtsbuch nachliest.

DOMRADIO.DE: Wird auch das Mittelalter greifbar?

Cohn: Ja, absolut. Wir erzählen aus dieser verschiedene, ganz konkrete Alltagsgeschichten. Und deswegen haben wir uns jetzt nicht ausschließlich auf Meilensteine konzentriert, die die Geschichte ausmachen, sondern vor allem auf das Leben, das Miteinander, auf konkrete Geschichten.

DOMRADIO.DE: Es gibt immer noch Menschen, die Juden mit Misstrauen oder sogar großer Ablehnung begegnen. Glauben Sie, dass die Wanderausstellung auch eine Annäherung an die jüdische Kultur und Religion bewirken kann?

Cohn: Ja, das glaube ich schon. Und das hoffe ich natürlich auch, weil es schon so ist, dass man unheimlich viel erfährt über diese ganze Geschichte und weil es eben nicht nur eine Geschichte ist, die irgendwann aufhört. Sondern es geht ja auch immer weiter. Es ist ja auch gegenwärtig so. Je mehr man vermitteln kann, was da alles passiert ist und wie zum Beispiel auch Vorurteile oder Verschwörungsmythen entstanden sind, desto mehr gibt es Kenntnisse über die Hintergründe. Dann entsteht bestenfalls das Bewusstsein dafür und man hat weniger Vorurteile hat. Damit sich das zum Positiven wendet, sagen wir es mal so.

Das Interview führte Michelle Ollion.


Quelle:
DR