Das Jahr 2006 im Zeichen der Spannung und des Dialogs zwischen Islam und dem Westen - ein Blick zurück mit domradio.de

Der lange Schatten des Karikaturenstreits

Der Anfang des Jahres 2006 verhieß wenig Gutes für das Verhältnis zwischen dem Islam und dem Westen. An vielen Orten von Marokko bis Indonesien brannten dänische Flaggen. Aufgebrachte Muslime demonstrierten gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen, die sie als grobe Beleidigung ihres Propheten empfanden. Spannungen zwischen islamischer und nicht-islamischer Welt, aber auch Gesten der Versöhnung und Dialogangebote prägten das Jahr.

 (DR)

Erster Aufreger war Dänemark
Begonnen hatten die teilweise gewalttätigen Proteste gegen Dänemark mit zwölf Karikaturen in der dänischen Tageszeitung "Jyllands Posten". Auch gegen Deutschland richtete sich der Zorn, nachdem deutsche Zeitungen die Zeichnungen nachdruckten. Im langen Schatten des Karikaturenstreits entspann sich eine intensive Debatte über die Grenze zwischen Pressefreiheit und Gotteslästerung. (Mehr zu dem Thema im domradio hier)

Wenige Tage vor Weihnachten wurde in Berlin die umstrittene Mozart-Oper "Idomeneo" wiederaufgeführt - im Beisein von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Inszenierung von Hans Neuenfels war Anfang September abgesetzt worden. In einer Szene sollten die abgeschlagenen Köpfe von Jesus und Mohammed präsentiert werden. Zu riskant, entschied Intendantin Kirsten Harms und löste damit eine heftige Debatte über die Grenzen der Kunstfreiheit aus. Schäuble setzte sich massiv dafür ein, dass die Oper nicht aufgrund islamistischen Drucks abgesetzt werden dürfe. (Mehr zu dem Thema im domradio hier)

Vorläufiger "Höhepunkt": Die Regensburger Rede
Wie heikel eine als Schmähung empfundene Äußerung über Mohammed sein kann, erfuhr auch Papst Benedikt XVI. In seiner Rede in Regensburg am 12. September zitierte er einen mittelalterlichen Kaiser, der sich abfällig über den islamischen Propheten geäußert hatte. Umgehend flammten wieder wütende Proteste im Orient auf. Der Präsident der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, warf dem Oberhaupt der katholischen Kirche eine Kreuzfahrermentalität vor. (Mehr zu dem Thema im domradio hier)

Abseits der Spannungen gab es Gesprächsangebote und versöhnende Gesten. Als Antwort auf die Regensburger Rede des Papstes betonten 38 führende muslimische Theologen gemeinsam ihren Willen zu friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen. Um respektvolle Beziehungen geht es auch der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit ihrer neuen Handreichung zum Verhältnis von Christen und Muslimen. Die Schrift "Klarheit und gute Nachbarschaft" will zum Dialog ermutigen, ohne Probleme im Zusammenleben zu ignorieren.

Und die Politik? Einladung zur Islamkonferenz
Offene Fragen im Zusammenleben sollen nun auf politischer Ebene diskutiert werden. Der Islam sei ein Teil der deutschen Gesellschaft geworden, sagte Bundesinnenminister Schäuble und lud am 27. September muslimische Vertreter zur Islamkonferenz ein. An Themen fehlt es nicht: Integration, islamischer Religionsunterricht, Ausbildung von Imamen oder die Stellung der Frau. (Mehr zu dem Thema im domradio hier)

Für spontane und unberechtigt aufgeregte Reaktionen, wie sich bald zeigen sollte, sorgte Kardinal Joachim Meisner. (Mehr zu dem Thema im domradio hier) Zur Adventszeit wies er die katholischen Religionslehrer im Erzbistum Köln an, auf multireligiöse Feiern zu verzichten. Muslime und Katholiken könnten nicht in einer Feier gemeinsam beten. Mit multireligiösen Gebetsfeiern würden Kinder überfordert, argumentierte er und wandte sich gegen Tendenzen, die Religionen für politische Zwecke zu instrumentalisieren.

Guten Willen wollte auch Papst Benedikt XVI. bei seiner Türkeireise demonstrieren. In der Blauen Moschee in Istanbul blieb er einige Augenblicke andächtig Richtung Mekka gewandt stehen und bezeugte so seinen Respekt vor dem Islam. Das Jahr, das mit brennenden dänischen Fahnen begonnen hatte, neigte sich dem Ende zu mit einem Papst, der die türkische Flagge mit dem islamischen Halbmond schwenkte. (Mehr zu dem Thema im domradio hier)