Warum ein kroatischer Seelsorger sein Amt wegen eines Spendenaufrufs aufgibt

"Das ist ziemlich schief gelaufen"

Ein kroatischer Priester hat im Bistum Hildesheim zu Spenden für eine Organisation aufgerufen, die im Verdacht steht, ein Konzentrationslager zu verharmlosen. Ein kroatischer Ordensmann zu den Hintergründen des Spendenaufrufs.

Symbolbild: Kirche in Kroatien. Vor der Kirche von Selca weht die kroatische Flagge. / © Antonio Batinic (shutterstock)
Symbolbild: Kirche in Kroatien. Vor der Kirche von Selca weht die kroatische Flagge. / © Antonio Batinic ( shutterstock )

Der Pfarrer der kroatischen Mission in Göttingen hatte Mitte September auf seiner Facebook-Seite einen Spendenaufruf der "Gesellschaft zur Erforschung des Dreifach-Lagers Jasenovac" veröffentlicht.

Die Vereinigung vertritt die von Historikern als unbelegt und geschichtsverfälschend eingestufte These, dass das Konzentrationslager Jasenovac zwischen 1941 und 1945 kein Vernichtungslager gewesen sei.

Pfarrer gibt Amt im kommenden Jahr ab

Das Bistum Hildesheim hat sich von dem Aufruf distanziert und mitgeteilt, dass der Priester sein Amt im Januar 2021 auf eigenen Wunsch abgeben werde. Der Seelsorger werde in sein Heimatbistum in Kroatien zurückkehren.

Was sind die Hintergründe des Spendenaufrufs? Der Dominikaner Pater Frano Prcela OP beschäftigt sich schon länger mit der Geschichte des Faschismus und der Kirche in Kroatien und schätzt den Vorfall im Interview mit DOMRADIO.DE ein. 

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie den Fall dieses Priesters ein?

Pater Frano Prcela OP (Prior des Dominikanerklosters St. Bonifaz in Mainz): Ich glaube, er hatte grundsätzlich positive Absichten, aber er ist irgendwie reingefallen. Das war ein bisschen naiv, einfach so eine Gesellschaft zu unterstützen. Dies ist wirklich ein sehr schwerwiegendes, ein grundsätzliches Thema für die katholische Kirche und auch für die kroatische Gesellschaft. Er wollte, so habe ich es jedenfalls verstanden, die Aufarbeitung der Geschichte unterstützen, hat aber dabei übersehen, dass diese Gesellschaft, die er unterstützen wollte, Thesen vertritt, die einfach falsch sind.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle hat denn die katholische Kirche in Kroatien zur Zeit des Faschismus überhaupt gespielt?

Pater Frano Prcela: Das war eine ziemlich wirre Zeit und eine unglückliche Zeit. Just in der Zeit ist es passiert, dass die Kroaten zum ersten Mal nach Jahrhunderten einen eigenen, selbständigen, unabhängigen Staat bekommen haben – allerdings von Hitlers Gnaden. Wie wir alle wissen, gab es leider Gottes in dieser Zeit faschistische Regime. So auch in Kroatien. Die haben alles verworfen, was nicht kroatisch war.

Die Kirche musste mit diesem Regime zusammenarbeiten. Das war nicht einfach. Es ist leicht, der Kirche jetzt vorzuwerfen, dass sie mit dem Staat zusammengearbeitet hat und sie zu verurteilen, als ob sie einverstanden mit dem war, was das Regime produziert hat. Sie war es aber nicht.

Es gibt auch einen Zeugen aus der Zeit, der einen unglaublich hohen Preis bezahlen musste: Der Primas Kroatiens und zugleich Erzbischof von Zagreb, der selige Alojzije Stepinac. Natürlich hätte die Kirche viele Sachen besser machen können. Aber im Nachhinein ist es immer leichter zu sagen, was man hätte besser machen können und sollen.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn mit der Aufarbeitung dieser Zeit heute aus? Und was denken heute Katholiken in Kroatien über diese Zeit des Faschismus und die Rolle ihrer Kirche?

Pater Frano Prcela: Wir haben ein grundsätzliches Problem, dass viele Historiker ein Narrativ aus der kommunistischen Zeit übernommen haben. Nicht nur Historiker, sondern auch die serbisch-orthodoxe Kirche und auch viele aus dem Westen. In der demokratischen Zeit, in der man es hätte aufarbeiten können, kam dann der Krieg und dann die Folgen des Krieges. Dieses Thema wurde eher politisch instrumentalisiert, als dass man gründlich Fakten erforscht hatte.

Wir haben unglaublich viel zu tun. Aber aufgrund der politischen Instrumentalisierung des Themas wird es immer schwieriger. Es sind inzwischen Jahrzehnte vergangen und man hat diese Hausaufgabe nicht erledigt.

DOMRADIO.DE: Kommen wir zum Schluss mal auf den Fall des Priesters im Bistum Hildesheim zurück. Das war also sehr unglücklich, wie er da gehandelt hat. Können wir aus diesem Fall jetzt etwas lernen?

Pater Frano Prcela: So wie ich ihn kenne hat er sich dafür einsetzen wollen, dass die geschichtliche Aufarbeitung vorangetrieben wird. Er hat aber nicht gründlich nachgeschaut, was für Thesen diese Gesellschaft zur Erforschung vertritt. Er ist vermutlich frustriert wie viele andere Kroaten und auch Priester aus Kroatien. Sie merken: Der katholischen Kirche wird dieses und jenes vorgeworfen, aber man tut es nicht immer mit Fakten. Er dachte sich, so vermute ich, da gibt es eine Gesellschaft, eine Privatinitiative, die es anders macht - und das wollte er unterstützen. Das ist ziemlich schief gelaufen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR