Hollerich begrüßt Wahl der EU-Kommissionspräsidentin

"Das ist eine sehr gute Lösung"

Beide haben die EU im Auge: Jean-Claude Hollerich ist Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäische Union und Ursula von der Leyen bald Kommissionspräsidentin. Sieht der Erzbischof von Luxemburg gemeinsame Ziele?

Europaflagge vor dem Europäischen Parlament in Brüssel / © Symbiot (shutterstock)
Europaflagge vor dem Europäischen Parlament in Brüssel / © Symbiot ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Begrüßen Sie die Wahl von Frau von der Leyen?

Erzbischof Jean-Claude Hollerich (Erzbischof von Luxemburg und Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäische Union / COMECE): Das begrüße ich. Ich freue mich, dass es eine Frau ist, damit man mal sehen kann, dass Frauen genauso gut Politik machen können wie Männer.

DOMRADIO.DE: Das kann man in Deutschland schon lange sehen…

Hollerich: Aber nicht alle Länder wissen das. Deshalb ist das ein sehr gutes Zeichen. Ich bedauere natürlich, dass sich das Spitzenkandidaten-System nicht durchgesetzt hat. (Anm. d. Red.: Der CSU-Politiker Manfred Weber war Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, die bei der Europawahl Ende Mai wieder stärkste Fraktion im Europaparlament wurde, allerdings Verluste hinnehmen musste. Timmermans führte die Sozialdemokraten auf Platz zwei. Weber beanspruchte daher die Juncker-Nachfolge für sich. Er stieß im Rat der Staats- und Regierungschefs aber auf Widerstand, auch im EU-Parlament bekam er keine Mehrheit für seine Wahl zusammen.)

Ich habe eine große Achtung vor Herrn Weber. Ich glaube, er hätte diese Aufgabe auch wunderbar machen können. Aber ich freue mich, dass es Frau von der Leyen geworden ist. Das ist eine sehr gute Lösung. Man muss immer Kompromisse in Europa machen. Und sie hat gerade in ihrer Antrittsrede gezeigt, dass sie doch Europa voranbringen möchte.

DOMRADIO.DE: In dieser Rede vor dem EU-Parlament hat Frau von der Leyen viele Dinge angesprochen, die auch für die Kirche ganz oben auf der Agenda stehen. Das sind zum Beispiel die Klimaziele oder auch der Einsatz für ein sozialeres Europa. Wie beurteilen Sie das?

Hollerich: Ich freue mich darüber. Im Oktober treffen sich Bischöfe zur Amazonas-Synode, die auch unter dem Titel einer integralen Ökologie steht. Und der Amazonas geht uns alle an - auch in Europa. Deshalb freue ich mich, dass Frau von der Leyen auch diesen Punkt - für die Umwelt einzutreten - so wichtig findet.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie die Amazonas-Synode erwähnen. Erwarten Sie da schon Rückenwind von der neuen EU-Kommissionspräsidenten, die zu dem Zeitpunkt noch nicht offiziell im Amt ist?

Hollerich: Ich glaube, das wird noch kommen. Ich habe gerade noch mit unserer luxemburgischen Umweltministerin darüber gesprochen, die sich über die Synode und das Vorbereitungs-Papier hocherfreut gezeigt hat. Frau von der Leyen wird das Ganze dann verwirklichen müssen. Wenn Brasilien keinen Druck bekommt, wird sich da nicht viel ändern.

DOMRADIO.DE: Kann die EU Druck auf Brasilien ausüben?

Hollerich: Wir müssen zeigen, dass uns bestimmte Sachen sehr wichtig sind. Und ich glaube, dass die Politiker in Europa jetzt alle begriffen haben, dass die gemeinsame Welt, die wir bewohnen und die wir auch den Kindern und Enkelkindern übergeben möchten, ein Gut ist, für das die Menschen in Europa einstehen müssen. Dann wird die Politik das auch machen.

DOMRADIO.DE: Es gibt einen großen Streitpunkt unter den EU-Ländern: den Umgang mit Geflüchteten. Die katholischen Bischöfe haben sich schon klar geäußert und sprechen sich für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in Europa aus. Werden Sie in diesem Punkt bei Frau von der Leyen auch offene Ohren finden. Was glauben Sie?

Hollerich: Ich glaube, dass ich da offene Ohren finde. Und ich glaube, dieser Punkt in ihrer Rede hat sie auch die Zustimmung der populistischen Parteien gekostet. Es freut mich, dass sie so klar gesprochen hat und sich da nicht auf faule Kompromisse eingelassen hat, denn da sind einfach Menschen in Not.

DOMRADIO.DE: Ohne die Zivilgesellschaft geht es nicht in Europa. Das ist ein Sockel des Miteinanders. Welche Rolle spielt da die Kirche als ein großer Player der Zivilgesellschaft?

Hollerich: Ich glaube, eine sehr große. Schauen Sie nur mal, wie das in Deutschland ist: Wie viele Flüchtlinge sind in kirchlichen Einrichtungen aufgenommen worden? Und vielleicht wäre es besser gegangen, wenn es weniger Staat und mehr Zivilgesellschaft gegeben hätte.

DOMRADIO.DE: Wie meinen Sie das genau?

Hollerich: Dass der Staat nur kontrollieren sollte, wer reinkommt. Das ist ja die Pflicht des Staates, dass keine Verbrecher ins Land kommen. Aber die Flüchtlinge sollten weniger in staatlichen Einrichtungen aufgenommen werden, sondern viel mehr in Einrichtungen der Zivilgesellschaft – auch wenn es natürlich staatliche Hilfe dafür geben sollte. Aber ich glaube, dass eine Integration damit viel einfacher wäre.

DOMRADIO.DE: Von jetzt an bis September muss Ursula von der Leyen ihr Arbeitsprogramm ausarbeiten und auch ihr Kommissars-Team zusammenstellen. Am 1. November tritt sie dann mit ihrer neuen EU-Kommission ins Amt. Wissen Sie schon, ob und wann es zu einem ersten Treffen mit ihr kommen wird?

Hollerich: Nein, ich habe ihr jetzt zusammen mit dem Präsidenten der KEK, der die evangelisch reformierten Anglikaner und Orthodoxen in Brüssel vertritt, erst einmal einen Brief geschrieben, um sie zu beglückwünschen. Wir haben um ein Gespräch gebeten. Aber ich verstehe sehr gut, dass sie jetzt zunächst einmal die Kommission formen muss. Das wird nicht einfach werden. Denn sie hat das hohe Ziel genannt, dass sie die Hälfte der Kommission von Frauen besetzt haben wollte. Das finde ich gut. Aber einige Länder haben bereits mehr oder weniger vorentschieden, wer denn jetzt in die Kommission gehen sollte. Und das wird ganz hart werden, die dann noch einmal umzustimmen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

 

Jean-Claude Hollerich / © Julia Steinbrecht (KNA)
Jean-Claude Hollerich / © Julia Steinbrecht ( KNA )

 

Ursula von der Leyen wird neue EU-Kommissionspräsidentin / © Marijan Murat (dpa)
Ursula von der Leyen wird neue EU-Kommissionspräsidentin / © Marijan Murat ( dpa )
Quelle:
DR