Das "Hirtenbarometer" verteilt Noten für Seelsorger

Schäfchen stimmen ab

Eigentlich erstaunlich, dass bisher noch niemand darauf gekommen ist. Politiker, Professoren, Ärzte oder Lehrer: Sie alle werden seit längerem schon im Internet benotet. Seit April diesen Jahres ist das nun auch für Geistliche aus der katholischen und evangelischen Kirche möglich.

Autor/in:
Joachim Heinz
hirtenbarometer.de (DR)
hirtenbarometer.de / ( DR )

"Hirtenbarometer" heißt die Initiative; eine Gruppe von Computerspezialisten und Mathematikern aus dem Raum Karlsruhe steckt dahinter. Alle zwischen Mitte 20 und Mitte 30 Jahre alt. Und alle an den Themen Kirche und Religion interessiert, wie Magdalena Koj, eine der Verantwortlichen erläutert.



Ziel sei es, so Koj, die Arbeit von Pfarrern und Pastoren bis hin zum Papst zu beurteilen. Zugleich stellt sie klar: "Es geht uns nicht um eine allgemeine Bewertung der Person, ob die nun super ist oder nicht." Registrierte Nutzer können ein Profil "ihres" Hirten anlegen und Noten von 1 (sehr schlecht) bis 6 (sehr gut) in fünf Kategorien vergeben: "Gottesdienst", "Glaubwürdigkeit", "Am Puls der Zeit", "Jugend-Arbeit" und "Senioren-Arbeit". Daraus errechnet sich ein Mittelwert, der neben dem Namen des Betreffenden auch in Form eines Schäfchens visualisiert wird: Je dunkler das Tier, desto schlechter die Note.



"Schwarze Schafe" sind unter den bislang 8.000 registrierten Hirten eher selten zu finden. Stattdessen überwiegen verschiedene Grautöne und bisweilen überraschende Urteile. So kommt die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, der Medien gerne eine hohe Beliebtheit attestieren, lediglich auf eine 3,12. Der Regensburger katholische Bischof Gerhard Ludwig Müller hingegen, der oft eine schlechte Presse erhält, liegt mit der Note 3,67 höher in der Gunst des "Hirtenbarometer"-Publikums. Zufall oder nicht: "Viele Leute haben ein ganz anderes Bild von Kirche, als das Zeitungen, Rundfunk oder Fernsehen vermitteln", sagt Koj. Und genau das wolle man mit dem Forum einfangen.



Der richtige Ansatz?

Ob dafür allerdings die Homepage mit ihrem wuscheligen Wappentier im Stile der aus Souvernirshops bekannten "Jolly Mäh"-Schäfchenbecher der richtige Ansatz ist? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Er halte die Seite für "methodisch unterirdisch"; die Kategorien seien von einer "im besten Fall herzerweichenden Naivität", zitierte Spiegel online unlängst den Sprecher des Münchner Kardinals Reinhard Marx. Die Deutsche Bischofskonferenz wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern.



Verhalten positive Töne kommen dagegen aus der evangelischen Kirche. Das "Hirtenbarometer" könne "eine Möglichkeit sein, ein Feedback auf die Arbeit von Pfarrerin und Pfarrern zu geben", sagt der Medienbeauftragte des Rates der EKD, Markus Bräuer. Voraussetzung seien klare Kriterien der Bewertung und ein fairer Umgangston. Wer Kommentare abgebe, "sollte auch den Mut haben, neben seine Meinung auch seinen Namen zu setzen". Dann könne die Seite "das Bemühen der EKD um qualitätsvolle Gottesdienste und eine Feedbackkultur im Raum der Kirche ergänzen".



Kein direkter Kontakt mit Kritikern

Koj räumt ein, dass es bisweilen schwierig sei, eine klare Grenze zwischen Kritik und verletzenden Äußerungen zu ziehen. Trotzdem bemühten sich die Betreiber, sicherzustellen, "dass nichts Unsachgemäßes publiziert wird". Den Vorwurf, dass sich die Mitglieder des Hirtenbarometers hinter Pseudonymen wie "fauleoma", "Erzketzer" oder "Regenbogenlamm" verstecken, hält Koj indessen für ungerechtfertigt. "Wenn ich nach einer Messe dem Pfarrer sage, dass ich seine Predigt schlecht fand, dann hat er mich zwar gesehen, kennt aber im Zweifelsfall meinen richtigen Namen auch nicht."



Beim "Hirtenbarometer" dagegen hätten Geistliche sogar die Chance, direkt mit ihren Kritikern in Kontakt zu treten, sagt Koj. Zumindest in einem Fall scheint das nach menschlichem Ermessen allerdings schwierig. Auch Gott verfügt auf der Seite über ein eigenes Profil - mit der Gesamtnote 5,20. Ein bisschen wenig, findet ein Nutzer und erinnert Unzufriedene daran, dass Gott nicht jeden Wunsch erfüllen könne. Schließlich habe der ja ohnehin schon einen 24-Stunden-Job.