Das "Gebet" in der Moschee entspannte den Konflikt mit dem Islam

Benedikts XVI. schwierigste und gefährlichste Reise

Keine der 24 Auslandsreisen Benedikts XVI. stellte seine Diplomaten, Planer und Sicherheitsleute vor größere Probleme. Doch mit Gesten sorgte er selbst bei der Türkei-Reise vor zehn Jahren für Entspannung.

Autor/in:
Johannes Schidelko
November 2006: Papst Benedikt XVI. zu Besuch in der Blauen Moschee in Istanbul  / © Patrick Hertzog (KNA)
November 2006: Papst Benedikt XVI. zu Besuch in der Blauen Moschee in Istanbul / © Patrick Hertzog ( KNA )

Zweieinhalb Monate nach dem Regensburger Vortrag von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) mit einem islamkritischen Zitat über den Propheten Mohammed kochten die Emotionen in der muslimischen Welt noch immer hoch. Es gab Drohungen gegen die geplante Türkei-Reise des Papstes. An den Stationen in Ankara und Istanbul waren Massenproteste zu erwarten; der Besuch stand auf der Kippe. Auf vielen Ebenen bemühte sich der Vatikan um Schadensbegrenzung, etwa durch ein Sondergespräch des Papstes mit Botschaftern islamischer Staaten. Letztlich mit Erfolg: Die Visite vor zehn Jahren, vom 28. November bis 1. Dezember 2006, verlief sachlich und respektvoll - und trug deutlich zur Beruhigung der Lage bei.

Nach dem Vortrag war zunächst die ganze islamische Welt in Aufruhr. Die Türkei verlangte sogar eine Entschuldigung. Benedikt XVI. hatte in alter Professorentradition einen spätmittelalterlichen oströmischen Kaiser zitiert. Dieser hatte einen gelehrten Muslim gefragt, was Mohammed denn Neues gebracht habe, "und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten". Der Papst habe den Islam als gewalttätige Religion kritisiert, sich mithin die polemische Bemerkung des von ihm Zitierten zu eigen gemacht, kritisierten Medien islamischer Länder.

Kein Jubel

Bei der fünften Auslandsreise Benedikts XVI. sollte es eigentlich gar nicht um Politik oder den Islam gehen, sondern um Ökumene. Anlass war der Antrittsbesuch bei Patriarch Bartholomaios I., dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Es war die erste Reise Benedikts XVI. in ein nichtchristliches Land. Es gab keine jubelnden Menschenmassen, keine Messen unter freiem Himmel, keine Willkommensplakate. Eine Reise fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur die rigiden Sicherheitsmaßnahmen, die aufwendiger waren als zuvor beim Besuch von US-Präsident Bush, signalisierten ein Großereignis.

War es ein Übersetzungsfehler oder ein Missverständnis: Für einen atmosphärischen Durchbruch zumindest in türkischen Medien sorgte gleich bei der Ankunft Regierungschef Recep Tayyip Erdogan. Eigentlich wollte er während des Papstbesuchs beim NATO-Gipfel in Riga sein. Trotzdem begrüßte er den Gast und erklärte hinterher, der Papst habe sich für einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen. Die bejubelte Aussage blieb im Raum, auch wenn ein Vatikansprecher klarstellte, der Papst habe das "so nicht direkt gesagt".

Besuch in Moschee

Noch mehr Aufmerksamkeit fanden die Worte und Gesten des Papstes in Richtung Islam. Besonders gründlich hatte man im Vatikan an der Rede vor dem obersten Religionsbeamten Ali Bardakoglu gefeilt. Benedikt XVI. mahnte Dialog und Respekt zwischen Christen und Muslimen an, ermunterte zu Zusammenarbeit für ethische Werte, Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität. Das Thema Regensburg wurde nicht eigens angesprochen, war aber nicht vergessen, etwa als Bardakoglu von einer Islamophobie sprach.

Beeindruckender als alle Worte war der Besuch in der Blauen Moschee, der ganz kurzfristig ins Programm aufgenommen worden war. Hier dominierten die Gesten - auch wenn sie bislang nicht als Stärke des eher wortmächtigen Papst-Professors galten. Vor der Gebetsnische Richtung Mekka stand Benedikt XVI. mehrere Augenblicke lang stumm und nachdenklich neben dem betenden Imam.

Gebetet oder nicht?

Hat er dabei gebetet, hat er die Lippen bewegt oder nicht, so lauteten anschließend die Fragen. Der Papst habe "meditiert und seine Gedanken sicher an Gott gerichtet", entschied Vatikansprecher Federico Lombardi salomonisch. Dem Imam dankte Benedikt XVI. anschließend vielsagend "für den Moment des Gebets". Eigentlich sollte die Türkei-Reise drei Tage dauern. Benedikt XVI. verlängerte sie um einen Tag, um in Istanbul eine Messe mit der winzigen katholischen Minderheit zu feiern.

Acht Jahre nach Benedikt XVI. stattete Papst Franziskus dem Ökumenischen Patriarchen seinen Antrittsbesuch ab - auf der gleichen Reise-Route (außer Ephesus) und mit den fast gleichen Gesprächspartnern. Der Kontakt mit dem Islam war nun deutlich entspannter. Unverändert schwierig bleibt aber die Lage der Christen im Land.

 

 


Quelle:
KNA