Das evangelische Johanniter-Hospiz wird 150 Jahre alt

Oase im Jerusalemer Altstadttrubel

Für Prinz Oskar von Preußen war es ein Schritt in die Familiengeschichte: Genau hier, im "Ölbergzimmer" des Jerusalemer Johanniter-Hospizes, nächtigte 1869 sein Vorfahre, Kronprinz Friedrich Wilhelm, als er das einstige Kreuzritter-Gelände "Muristan" vom türkischen Sultan zurückgeschenkt bekam. In sein Tagebuch schrieb der spätere Kaiser Friedrich III.: "Hier konnte das Gemüt sich von der Erde abwenden und den Gedanken nachhängen, die jedes Christen Inneres bewegt..." Das traditionsreiche Pilgerhospiz inmitten der Jerusalemer Altstadt feierte am Mittwoch 150 Jahre Bestehen, und Prinz Oskar stand hier nun als Herrenmeister des Johanniterordens.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Der alte "Ritterliche Orden St. Johannis vom Spital zu Jerusalem" besaß zur Kreuzfahrerzeit direkt neben der Grabeskirche ein riesiges Krankenhaus, doch nach der Vertreibung durch die Muslime blieb der Hospitalierorden über Jahrhunderte von seinen Wurzeln abgeschnitten. Erst 1858 übernahmen die evangelischen Johanniter das ursprüngliche "Preußische Hospiz", eine vergleichsweise bescheidene Pilgerherberge, jedoch ganz in der Nähe ihres Gründungsortes.

Mit fester Hand geführt
Zahllosen Menschen unterschiedlichster Herkunft hat das Hospiz in seiner bewegten Geschichte Unterschlupf gewährt, ein "Halt- und Ankerpunkt in dieser betörenden, verwirrenden Stadt", wie Propst Uwe Gräbe beim Gottesdienst zur Jubiläumsfeier am Mittwoch sagte. Die prachtvolle Sicht auf den Ölberg genossen von hier aus auch Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin Auguste Victoria bei ihrem historischen Besuch 1898. Ursprünglich diente das Hospiz jedoch vor allem als Anlaufstelle für deutsche Handwerker, die hier bis zu zwei Wochen lang kostenlos Bett und Verpflegung bekamen.

Die Herberge wurde von deutschen "Hauseltern" mit fester Hand geführt, die Hausordnung inmitten der arabisch-quirligen Altstadt war preußisch. Unter Paragraph 10 findet sich etwa: "Im Falle groben Anstoß erregenden Betragens eines Gastes, ekelerregender Gewohnheiten, Berauschung oder dergleichen mehr hat der Hausvater das Recht, für die Entfernung des Betreffenden aus dem Hospize Sorge zu tragen". Besucher schwärmten gleichzeitig von der einfachen, aber vorbildlichen Bewirtung und dem unverwechselbaren Charme des Gebäudes, dessen verschachtelte Zimmer jeweils nur über die verschiedenen Innenhöfe zugänglich sind.

Begleitung durch die Heilige Stadt
Kriegswirren in Europa und im Land selbst ließen die Bestimmung des Hauses innerhalb weniger Jahrzehnte mehrfach wechseln: So diente es als Unterschlupf für christliche palästinensische Flüchtlingsfamilien mit Hühnern und Ziegen, als Poliklinik, Lehrerwohnung und Gemeindezentrum der Lutherischen Kirche. Erst 1964 erhielt der Johanniterorden das heruntergekommene Gebäude wieder zurück und beschloss, es nach aufwändigen Sanierungsarbeiten seinem ursprünglichen Auftrag zurückzugeben. 1993 übernahm die junge Gemeinschaft "Christus-Treff" aus Marburg die Hausleitung.

Bis heute ist das Johanniter-Hospiz eine Geheimadresse in Jerusalem: Hinter dem grünen Tor mit dem achtspitzigen weißen Johanniterkreuz auf rotem Grund bei der achten Kreuzwegsstation stößt der Besucher auf eine friedliche Oase mitten im Altstadttrubel. Höchstens zehn Gäste finden hier Unterkunft. Dazu kommt die Hausgemeinschaft um das Pastorenehepaar Steffi und Guido Baltes, die sich nicht nur ums Frühstück, sondern auch um das seelische Wohl der Gäste kümmern - mit Andachten, geistlichen Vorträgen, Lobpreisgottesdiensten und mehr.

Für die zumeist jungen Leute sei die Begegnung mit der Heiligen Stadt eine Grenzerfahrung, erzählt Guido Baltes - diesen Weg zu begleiten, sieht der "Christus-Treff" als eine Hauptaufgabe an. Herrenmeister Prinz Oskar wiederum ist dankbar, dass das traditionsreiche Haus im Johanniter-Geist weitergeführt wird und "unter dem achtspitzigen Kreuz Flagge zeigt für den christlichen Glauben".