Das erste Interview-Buch mit Papst Benedikt XVI.

Vom "Salz der Erde" zum "Licht der Welt"

Päpste erlassen Enzykliken und sie leiten Vatikan und Kirche per Dekret und Motuproprio, sie vermitteln ihren Gläubigen mit Predigten und Lehrschreiben Wegweisung und Rückenstärkung. Aber sie geben eigentlich keine Interviews. Papst Benedikt XVI. stand nun für ein Interviewbuch Rede und Antwort.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Am Mittwoch (24. November) erscheint - gleichzeitig in mehreren Sprachen - das mit Spannung erwartete Buch "Licht der Welt", herausgegeben von dem Journalisten Peter Seewald. Einen Tag zuvor wird es in Rom von Kurienerzbischof Rino Fisichella vorgestellt. Vordere Plätze auf den Bestsellerlisten sind ihm schon jetzt sicher.



Der Inhalt des Interview-Buchs ist noch streng geheim. Benedikt XVI. habe den deutschen Journalisten in der letzten Juli-Woche an seinem Sommersitz Castelgandolfo zu einer Reihe von Gesprächen über verschiedene Themen empfangen, verlautbarte aus dem vatikanischen Presseamt. Es lässt erwarten, dass sich der Papst zu aktuellen Themen und Problemen seines bislang fünfjährigen Pontifikats äußert - einschließlich Piusbrüder und Williamson, Missbrauchsskandale, Regensburger Rede und Tridentinischer Messe. Dass er aber auch die Highlights wie die Reisen in die Türkei oder ins Heilige Land, in die USA und nach Brasilien reflektiert und einordnet. Und dass dabei die Ideen und Linien hinter seinen Entscheidungen und öffentlichen Äußerungen deutlich werden, aus denen sich womöglich Rückschlüsse für den weiteren Verlauf des Pontifikats ziehen lassen.



Viele Spekulationen

Schon viele Spekulationen wurden vor allem in italienischen Medien über das Buch laut: über brisante Fragen, die der Kurie viel Kopfzerbrechen bereiten werden. Bis hin zu der Vermutung, wie Radio Vatikan unter Berufung auf römische Zeitungen schrieb, der Papst bedauere seinen Vortrag von Regensburg. Bislang stellte sich dies aus Sicht hoher Vatikankreise etwas anders dar - zumindest differenzierter.



Es nicht sein erstes Interview, und nicht sein erstes Interviewbuch mit Peter Seewald. Schon als Kurienkardinal war Joseph Ratzinger gesuchter Gesprächspartner internationaler Medien. Besondere Beachtung fanden jedoch seine drei in Buchform veröffentlichten Großinterviews: 1985, kurz nach seinem Dienstantritt in Rom, erschien der Gesprächsband "Zur Lage des Glaubens" mit dem italienischen Publizisten Vittorio Messori. 1996 führte der Kardinal ein langes Gespräch mit Seewald, aus dem das Buch "Salz der Erde" erstand. Und vier Jahre später veröffentlichten Ratzinger-Seewald den Band "Gott und die Welt".



Breites Spektrum aktueller Kirchenfragen

In allen drei Interviews stellte sich Ratzinger einem breiten Spektrum aktueller Kirchenfragen: von Ökumene bis Zölibat, von Kirchensteuer bis Empfängnisverhütung oder Frauenpriestertum. Die Bücher lebten von den durchdachten, originellen und durchaus kritischen Fragen der Interviewer und den präzisen, mitunter überraschenden Antworten des Kurienchefs. Die Interviewbücher wurden Standardwerke für Vatikanisten und Katholika-Experten. Aus ihnen wurde immer wieder zitiert, wenn vatikanische Einschätzungen und kirchliche Positionen zum Zustand der Weltkirche, zur Umsetzung des Konzils, zum nachlassenden Gespür für das Heilige oder zum Verhältnis zu Judentum oder Islam gefragt waren.



Das dürfte auch jetzt der Fall sein. Zehn Jahre nach seinem letzten Ratzinger-Interview bekam der Münchener Publizist, der früher für den Stern, den Spiegel und das SZ-Magazin arbeitete, die Chance zum Exklusivinterview mit dem Papst. Eigentlich ist es keine Premiere. Schon vor seiner Bayern-Reise 2006 empfing Benedikt XVI. vier deutsche Pressevertreter zum ausführlichen TV-Talk. Und bereits Johannes Paul II. (1978-2005) beantwortete bei seinen ersten Auslandsflügen jedem mitreisenden Journalisten eine Frage, manchem auch mehrere. 1994 zeichnete der polnische Papst für ein Interviewbuch "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten".



Allerdings stellte Italiens katholischer Vorzeige-Publizist Messori die Fragen schriftlich, und der Papst antwortete schriftlich. Damit verlor das Buch - trotz seines inhaltlichen Gewichts und einer Auflagenhöhe von 20 Millionen - etwas an Lesbarkeit. Der Inhalt des neuen Buches, dessen Rechte beim Vatikan-Verlag liegen und das auf Deutsch bei Herder erscheint - lassen eine gewichtige und zugleich spannende Lektüre erwarten.