Darum kennt die Geschichte des Vatikans einen Dopingskandal

Von wegen "fromme Kugelstoßer"

Die "Farmacia Vaticana" in Rom gilt als meistbesuchte Apotheke der Welt. Knapp zweieinhalb Tausend Gäste zählt die Vatikan-Apotheke täglich. Im Jahr 1981 wurde sie zum Sportler-Geheimtipp. Vatikan-Experte Ulrich Nersinger weiß, warum.

Rom während eines Lockdowns im März 2020 / © Claudio Bottoni (shutterstock)
Rom während eines Lockdowns im März 2020 / © Claudio Bottoni ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Herr Nersinger, wann waren Sie das letzte Mal in der berühmten Vatikan-Apotheke "Farmacia Vaticana"? 

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Ich war während meiner Studienzeit des Öfteren da. Wenn man Kopfschmerzen hatte, zum Beispiel bei Prüfungen, dann brauchte man schon mal eine Packung Aspirin.

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Aspirin gab es zwar im Prinzip überall in Italien, aber in der Vatikanapotheke war es rund 25 Prozent billiger. 

DOMRADIO.DE: Das hat sich dann natürlich gelohnt. Eine Sache müssen wir aber noch klären: Wenn jeden Tag so viele Leute die Apotheke besuchen, heißt das dann, dass sie außerhalb der Mauern des Vatikans liegt?

Nersinger: Nein, sie liegt innerhalb der Mauern. Eigentlich soll man sie auch nur unter bestimmten Bedingungen besuchen.

Man hat etwa festgelegt, dass vor allem jene Menschen einen Passierschein bekommen sollen, die ein Rezept vorweisen können und Medikamente brauchen, die im benachbarten Italien noch nicht im Handel sind oder überhaupt nicht vertrieben werden.

Deshalb ist das Angebot nicht nur auf vatikanische Staatsangehörige beschränkt. Andererseits will man natürlich auch Menschen, die finanziell nicht so gut gestellt sind, eine kostengünstige Alternative bieten. 

DOMRADIO.DE: Wem haben wir es eigentlich zu verdanken, dass der Vatikan eine eigene Apotheke hat? 

Nersinger: Die ersten Nachrichten über die Gründung einer vatikanischen Apotheke stammen aus dem Jahre 1874. Sie war damals, vier Jahre nach dem Ende des alten Kirchenstaates, einfach aus der Not heraus entstanden.

Der Vatikan wollte einfach auch selbst mit Medikamenten versorgt sein, nicht zuletzt in der Nacht. So kam es dann zur Gründung einer eigenen, vatikanischen Apotheke.

Das Pontifikat Papst Pius des IX. dauerte von 1846 bis 1878 an und prägte die katholische Kirche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich. (KNA)
Das Pontifikat Papst Pius des IX. dauerte von 1846 bis 1878 an und prägte die katholische Kirche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich. / ( KNA )

Dabei war schon von Anfang an klar, das sie nicht nur allen, die im Vatikan wohnen und leben, sondern auch allen Römern offenstehen sollte. 1917 zog die Apotheke dann in die Nähe des Eingangs zum Vatikanstaat bei der Porta Sant'Anna.

DOMRADIO.DE: Bekommt man in dieser "Farmacia" alles, was man sonst auch in der normalen Apotheke bekommt, zum Beispiel auch Verhütungsmittel wie die sogenannte Antibabypille?

Nersinger: Das nicht. Es gibt einen Kodex, dass bestimmte Medikamente, deren Gebrauch gegen die katholische Morallehre verstößt, nicht verkauft werden.

Aber ansonsten kann man eigentlich alles bekommen – übrigens nicht nur Medikamente, sondern auch Kosmetika und ähnliche Artikel, die man auch in jeder deutschen Apotheke bekommen kann. 

DOMRADIO.DE: Es kursierte einst das Gerücht, dass dort auch ein Mittel gegen Grauen Star erhältlich gewesen wäre.

Nersinger: Ja, das Gerücht dürfte sich etabliert haben, weil die Vorstellung, dass die Vatikan-Apotheke auch Medikamente hat, die anderswo noch nicht zugelassen sind, natürlich die Phantasie anregt. In diesem Fall stimmte es aber nicht.

Es gab dafür andere Medikamente, die für Aufruhr gesorgt haben. Man hatte sich zum Beispiel 1981, als eine große Sportveranstaltung in Rom war, gewundert, warum plötzlich so viele Kugelstoßer in den Vatikan kamen.

Sicherheitsflaschen für Dopingproben / © Berlinger & Co. Ag (dpa)
Sicherheitsflaschen für Dopingproben / © Berlinger & Co. Ag ( dpa )

Man hat sich gefragt: Wie kann es sein, dass die auf einmal so fromm geworden sind? Dann ist man drauf gekommen, dass die sich im Vatikan Dianabol besorgt hatten.

Dianabol galt als die Mutter der Anabolika und war damals nur noch im Vatikan erhältlich gewesen. Das hat man dann natürlich abgestellt. Im Vatikan hatte man bis dahin gar nicht geahnt, dass so etwas passieren könnte.

Manchmal regt der Medikamentenverkauf in der Vatikan-Apotheke auch zum Schmunzeln an. Das meistverkaufte Medikament war um das Jahr 2004 beispielsweise ein Mittel gegen Hämorrhoiden.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Lateranverträge von 1929

Während des Ersten Vatikanischen Konzils 1869/70 war der Vatikan von italienischen Truppen eingenommen worden und hatte damit auch jegliche weltliche Macht sowie die Ländereien des Kirchenstaates verloren. Erst 1929 sitzen sich beide Parteien wieder scheinbar gleichberechtigt gegenüber: Auf der einen Seite der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri, auf der anderen Seite der italienische Regierungschef Cavaliere Benito Mussolini.

Petersdom in der Abenddämmerung / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Petersdom in der Abenddämmerung / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR