Cluny feiert 1.100 Jahrestag seiner Abtei

Geburtsstätte der europäischen Idee

Das Festival "Ganz Europa in Cluny" bis Sonntag ist ein Höhepunkt der 1.100-Jahr-Feiern der früheren Benediktinerabtei Cluny - einst die gewaltigste Kirche der Welt. Doch von der früheren Größe zeugt im burgundischen Cluny nur noch wenig.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Zumeist ragen nur Mauerstümpfe stumm in den Himmel, wo im zwölften Jahrhundert der Glanz Gottes wohnte. Von der größten Kirche der Christenheit - erst der Neubau des römischen Petersdoms im 16. Jahrhunderts sollte sie überbieten - blieben lediglich wenige Bauteile und einsame Säulenfundamente.



Und dennoch steht der Name dieser heute eher ländlich-verschlafenen Stadt für eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters und für wichtige kirchliche Reformen. Vor 1.100 Jahren - im Jahr 910 - wurde das Benediktinerkloster gegründet. Und schon seit dem vorigen Herbst feiert die Kommune diesen Jahrestag. "Im zehnten Jahrhundert war Cluny einer der Geburtsstätten der europäischen Idee", sagt Bürgermeister Jean-Luc Delpeuch. 1.100 Jahre später könne die Kraft, die von hier ausgegangen sei, Europa auf der Suche nach Einheit wieder inspirieren.



Geistliches Zentrum der Christenheit

Seinen Ausgang nahm die Benediktinerabtei von Cluny im September 910 mit der Schenkung eines Gutshofs durch Herzog Wilhelm von Aquitanien an Abt Benno von Baume, dem er damit die Gründung eines Reformklosters ermöglichen wollte. Die entstehende Abtei entwickelte sich im Laufe von 200 Jahren zum geistlichen Zentrum der Christenheit. Cluny stand für glanzvolle Zeiten von Architektur und Kunst, für geistliche Impulse, die auf ganz Europa ausstrahlten. Dieser "Hauptstadt eines Klosterreiches" unterstanden über 10.000 Mönche in mehr als 1.200 Klöstern auf dem gesamten Kontinent.



1088 begann der Bau der gewaltigen Abteikirche, die heutige Besucher anhand von Computersimulationen immerhin wieder erahnen können. Denn was heute wie der immer noch großartige Vierungsturm einer Kirche wirkt, war tatsächlich nur das südliche Querschiff des gesamten Gotteshauses. In seinen Blütezeiten maß der Bau 187 Meter - das entspricht der Länge von mehr als anderthalb Fußballfeldern. Heute finden sich auf Teilen dieser Fläche Parkplätze oder Wohn- und Geschäftshäuser. Denn ab dem 15. Jahrhundert verblasste der Glanz von Cluny, Ende des 18. Jahrhunderts erlosch er. Die Abteikirche wurde in den Wirren der Französischen Revolution verkauft, über Jahrzehnte diente sie als Steinbruch.



Heute: Kleinstadt im Stile französischer Dutzendware

Cluny heute - das ist eine Kleinstadt im Stile französischer Dutzendware: Knapp 5.000 Einwohner, ein Fastfood-Restaurant, einige Cafes, das herausragende nationale Gestüt. Dann noch eine postmoderne Fußgängerzone, ohne große Überraschungen - und trotzdem ist das alles irgendwie reizvoll. Vom immer noch gepflegten Bahnhof fährt schon seit Jahrzehnten kein Zug mehr ab. Stattdessen dient die Trasse heute Touristen als Radweg.



Zum Jubiläumsjahr haben Region und Land zudem Geld in die Hand genommen. Die seit den 1980er Jahren laufenden Restaurierungsarbeiten wurden intensiviert, allein 18 Millionen Euro flossen in die Pflege der zum Weltkulturerbe zählenden Abtei. Nebenbei bekam die Kunsthochschule, die sich in ihren Resten befindet, einige bemerkenswert moderne und doch stilvoll eingepasste Gebäude.



Neuer Elan erhofft

Trotz aller Bemühungen kommen Jahr für Jahr nur gut 100.000 Besucher in die Ruine der Abtei. Nicht selten gehören zu den Tagesgästen Gruppen von - vielfach deutschen - Jugendlichen aus dem wenige Kilometer weiter nördlich gelegenen Taize, das längst zu einer geistlichen Metropole der Moderne geworden ist und damit an alte Wurzeln anknüpft. Auch die Brüder von Taize sind mit einem Gebet am Festjahr beteiligt.



In immer dichter werdender Folge reihten sich zuletzt Ausstellungen und Gedenkaktionen aneinander. Als Höhepunkt folgt nun ab Donnerstag ein viertägiges Festival "Ganz Europa in Cluny". Bürgermeister Delpeuch hofft darauf, dass die Feiern den Bewohnern der Region "neuen Elan" geben. Schließlich gehe es nicht allein um einen nostalgischen Rückblick.