Chronologie zum Thema Missbrauch an katholischen Einrichtungen

Ein Skandal zieht Kreise

Die katholischen Bischöfe stellen heute ihre überarbeiteten Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche vor. Seit Mitte Januar erschüttert der Missbrauchsskandal die katholische Kirche in Deutschland. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Stationen der Entwicklung aus den vergangenen Monaten.

 (DR)

Mitte Januar 2010: Der Leiter des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, informiert in Briefen rund 500 Schüler der "potenziell betroffenen" Abiturjahrgänge 1975 bis 1983 über mögliche Missbrauchsfälle. Er entschuldigt sich für "ein Wegschauen" im Lehrerkollegium und im Orden. In den folgenden Wochen kommen zahlreiche Missbrauchsfälle durch katholische Priester und Ordensleute ans Licht. Auch das oberbayerische Kloster Ettal und die Regensburger Domspatzen sind betroffen.



6. Februar: Laut Umfrage des "Spiegel" wurde in der katholischen Kirche Deutschlands seit 1995 gegen 97 Priester und Laien wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt.



8. Februar: Papst Benedikt XVI. verurteilt sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester.



16. Februar: Der Augsburger Bischof Walter Mixa führt den Missbrauch auch auf die zunehmende Sexualisierung des öffentlichen Lebens seit 1968 zurück.



22. Februar: Die Bischöfe entschuldigen sich bei ihrer Frühjahrsvollversammlung wegen der Missbrauchsfälle.



23. Februar: Nach dem von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geäußerten Vorwurf der mangelnden Rechtstreue der Kirche fordert die Bischofskonferenz ultimativ eine Korrektur.



25. Februar: Die Bischofskonferenz beschließt bei ihrer Vollversammlung einen Vier-Punkte-Plan, um Missbrauch konsequent aufzudecken. So sollen die Richtlinien von 2002 überarbeitet und die Priesterausbildung überprüft werden. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wird Sonderbeauftragter für Missbrauchsfälle.



7. März: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert einen Runden Tisch allein zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Die Kirche wehrt sich gegen Einseitigkeiten und fordert auch die Einbeziehung anderer gesellschaftlicher Gruppen.



9. März: Der Vatikan lobt die Bischofskonferenzen und Ordensleitungen in Deutschland und Österreich, sie hätten unverzüglich und entschlossen reagiert.



12. März: Erzbischof Zollitsch unterrichtet in Rom den Papst über die Missbrauchsfälle. Benedikt XVI. reagiert mit großer Betroffenheit. Der Missbrauchsskandal erreicht unterdessen den Papst selbst. Das Erzbischöfliche Ordinariat in München bestätigt Berichte, wonach in der Amtszeit von Papst Benedikt XVI. als Erzbischof von München und Freising ein wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit der Diözese eingesetzt wurde.



17. März: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert im Bundestag eine intensive Aufklärung aller Missbrauchsfälle an Schulen und in kirchlichen Einrichtungen.



24. März: Das Bundeskabinett beruft die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) als Missbrauchsbeauftragte und beschließt die Einsetzung eines Runden Tisches.



31. März: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet erstmals über Prügelvorwürfe gegen den Augsburger Bischof Walter Mixa. Einen Tag später dementiert der Bischof.



16. April: Mixa erklärt, dass er für die Zeit als Stadtpfarrer "die eine oder andere Watsch"n nicht ausschließen kann". Dies bedauere er. Geprügelt habe er aber nicht.



21. April: Mixa bietet dem Papst seinen Rücktritt als Augsburger Bischof und Militärbischof an.



23. April: Der Runde Tisch der Bundesregierung zu sexuellem Missbrauch tritt erstmals zusammen.



29. April: Die Erzbischöfe Robert Zollitsch und Reinhard Marx sowie der Augsburger Weihbischof Anton Losinger werden von Papst Benedikt XVI. in Audienz empfangen. Dabei kommt auch ein Missbrauchsverdacht gegen Mixa zur Sprache.



8. Mai: Der Papst nimmt den Rücktritt des Augsburger Bischofs an.



14. Mai: Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt stellt die Vorermittlungen wegen Missbrauchs gegen Mixa mangels Tatverdacht ein.



27. Mai: Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue, legt ihren Abschlussbericht vor. Danach hat der Orden sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder über Jahrzehnte systematisch vertuscht und die Täter gedeckt.



23. Juni: Der Missbrauchsskandal hat nach einer Studie die Einstellung der Bevölkerung zur katholischen Kirche verändert. Das betrifft vor allem religiös weniger Gebundene. So sank der Anteil derer, die der Kirche moralische Orientierung zutrauen, zwischen März und Juni von 29 auf 23 Prozent. 2005 lag er noch bei 35 Prozent.



9. Juli: Der Vatikan rehabilitiert die zurückgetretene Leitung des oberbayerischen Benediktinerklosters Ettal. Sie habe keine Fehler im Umgang mit Verdachtsfällen gemacht.



15. Juli: Der Vatikan verschärft die kirchlichen Strafnormen zur Ahndung sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. So beträgt die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch nun 20 Jahre.



21. Juli: Die Staatsanwaltschaft Konstanz stellt ein Anfang Juni eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch ein.



9. August: Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Bergmann, hält einen Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer für denkbar. Sie ermuntert kirchliche und weltliche Einrichtungen, eigene Vorschläge zur Entschädigung vorzulegen.



23. August: Die katholischen Bischöfe einigen sich auf eine Neufassung der kirchlichen Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch. Sie beraten auch über Entschädigungen.