Christliche Palästinenser kämpfen um Projekt "Zelt der Völker"

"Wir weigern uns, Feinde zu sein"

"Wir weigern uns, Feinde zu sein" - die klare Botschaft, in drei Sprachen auf einen Felsblock am Eingangstor gepinselt, empfängt den Besucher im Weinberg der palästinensischen Familie Nassar. Das Projekt "Zelt der Völker" baut hier ein Begegnungscamp, stets bedroht von israelischen Abrissbefehlen. Eine Reportage aus dem Heiligen Land.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Das Graben einer Zisterne ist Schweißarbeit: Willi und Thomas stehen über zwei Meter tief in einer Grube und schaufeln Erde in Eimer. Mit einem Flaschenzug schicken die deutschen Zivildienstleistenden die vollen Eimer nach oben, wo sie von zwei Volontärinnen in Empfang genommen werden. Die Sommersonne brennt auf das karge Land bei Bethlehem. Im Hintergrund ballen sich auf einem Nachbarhügel die Häuser der israelischen Siedlung Neve Daniel, daneben ein riesiger Wasserturm.

«Ich bin erschüttert über so viel Ungerechtigkeit», sagt Thomas. «Wir leben mit den Palästinensern unter einfachsten Umständen, ohne Strom und Wasser, und die Siedler da bekommen alles, was sie wollen.» Die beiden 20-Jährigen unterstützen für ein Jahr das Projekt «Zelt der Völker» mitten in einem Brennpunkt des Nahostkonflikts. Die Farm der christlichen Familie Nassar liegt im Gebiet des israelischen Siedlungsblocks «Gush Etzion» westlich von Bethlehem - als einziger Hügel, der noch in palästinensischer Hand ist.

Abrissbefehl des israelischen Militärs
Daoud Nassar kontrolliert die Arbeiten mit einer Mischung aus Stolz und Trotz. Während seine Helfer dem steinigen Boden eine neue Zisterne abringen, schwebt über den anderen spärlichen Strukturen der Farm ein Abrissbefehl des israelischen Militärs. Ein paar Zelte und Ställe, der Ausbau einiger Höhlen, die neuen Solardächer der zwei Farmhäuschen - alles errichtet ohne Baugenehmigung. «Wir hatten bei der Zivilverwaltung des Militärs Genehmigungen beantragt», erklärt der 55-jährige Familienvater in fließendem Deutsch, das er während Auslandsstudien gelernt hat. «Die wurden jedoch abgelehnt.
Ohne Begründung.»

Nur weil die Familie den Fall vor den obersten israelischen Gerichtshof brachte, sind die Planierraupen noch nicht gekommen. Jetzt muss abgewartet werden, bis beide Parteien ihre Argumente vorgelegt haben und die Richter das letzte Wort sprechen. «Ich will wenigstens wissen, warum wir auf unserem Land keinerlei Baugenehmigung bekommen, während rundherum die illegalen Siedlungen wachsen», sagt Nassar. «Schließlich leben wir hier seit Generationen.»
Unterstützung aus dem Ausland
Der Palästinenser kennt sich mit den verschlungenen israelischen Rechtswegen aus: Seit 1991 kämpft seine Familie für die Anerkennung ihres 42 Hektar großen Grundbesitzes - damals wurde das ganze Gebiet zu israelischem Staatsland deklariert. Osmanische Erwerbsdokumente des Großvaters von 1916 wurden ebenso wie Papiere aus britischer und jordanischer Zeit vom Militärgericht vom Tisch gefegt. An die 120.000 Euro musste die Familie bereits für Gutachten, Anwälte und ähnliches hinblättern - erkämpfte sich immerhin eine indirekte Anerkennung des Besitzes durch die obersten Richter. «Ohne Unterstützung aus dem Ausland», so Nassar, «hätten wir längst aufgeben müssen.»

Auch den vorläufigen Stopp des Abrissbefehls führt er auf massiven Druck von außen zurück - zu den Hunderten, die Protestschreiben schickten, gehörte die Evangelische Kirche Deutschlands. Trotz aller Mühen und Rückschläge glaubt Nassar an die gewaltlose Kraft der Botschaft Jesu: «Wir weigern uns, Feinde zu sein» ist das Motto der «Zelt der Völker»-Initiative, die im Jahr 2000 gestartet wurde. Mit Sommerlagern für Kinder, Baumpflanzaktionen und zahlreichen weiteren Projekten werten die Nassars nicht nur ihren Grund und Boden auf - sie wollen ihren «Frust in eine positive Energie umwandeln».

«Negative Erlebnisse führen meist zu Gewalt, Resignation oder Auswanderung», sagt Nassar. «Aber es gibt einen anderen Weg.» Bei den Nassars waren vergangenes Jahr mehr als 4.000 Menschen aus dem In- und Ausland zu Gast - auch Israelis. Besonders ist Daoud eine Siedlerin in Erinnerung, die von einer jüdischen Friedensaktivistin mitgebracht worden war: «Als sie sah, dass wir hier um jeden Tropfen Wasser kämpfen, während es nebenan bei ihnen Schwimmbäder gibt, wurde sie sehr nachdenklich.» Solche Begegnungen seien «noch nicht der Frieden - aber die Voraussetzung dafür.»