Christine Drews erzählt in ‘Freiflug’ vom Kampf um Gleichberechtigung in den 70er Jahren

Minirock und Machowelt

Rita Maiburg bewirbt sich 1974 bei der Lufthansa als Pilotin. Sie bringt alle Voraussetzungen mit. Aber sie wird abgelehnt, weil sie eine Frau ist. Dagegen zieht sie vor Gericht. In Freiflug erzählt Christine Drews die Geschichte einer Frau, die um ihre Rechte kämpft.

Christine Drews / © Teresa Rothwangl (DUMONT)
Christine Drews / © Teresa Rothwangl ( DUMONT )

Die siebziger Jahre, eine wilde Zeit: Woodstock, Bob Dylan, Beatles, Janis Joplin, Rock'n' Roll und Hippieleben. So stellen wir uns die siebziger Jahre vor. Aber war diese Zeit damals wirklich so cool und easy? Ich hatte diese Zeit auch immer so abgespeichert als die freie wilde Zeit”, erzählt Christine Drews im DOMRADIO.DE Interview. “Aber de facto war unsere Gesellschaft damals eigentlich gespalten”. In ihrem Roman ‘Freiflug’ erzählt die Autorin von den Gegensätzen dieser gespaltenen Zeit. Auf der einen Seite, besonders in den Großstädten, gab es das freie wilde Hippieleben und daneben eine patriarchale, von unglaublicher Männerarroganz geprägte Gesellschaft, die sich auch in der Gesetzgebung damals spiegelte. “Eine Frau durfte nur mit der Erlaubnis ihres Mannes arbeiten. Sie durfte lange Zeit nur ein Konto mit der Unterschrift ihres Mannes eröffnen”. Christine Drews sagt, sie sei bei der Recherche ihres Romans erschüttert darüber gewesen, was sie über die hanebüchende Diskriminierung der Frauen erfahren habe. “Eine Zeit, die ich als eine Minirock- und Rockkonzerte-, Kiffen-, freie Liebe-Zeit abgespeichert hatte, die war eigentlich ganz anders”.

Wer ist Rita Maiburg?

Die andere Seite der siebziger Jahre, das war die patriarchale Männerwelt. Und die bekommt Rita Maiburg zu spüren. Ihr reales Schicksal ist die Vorlage zum Roman ‘Freiflug'. “Ich bin durch Zufall auf Rita Maiburg gestoßen”, erzählt die Autorin. “Ich hatte in einem Zeitungsartikel gelesen, dass nur auf drei Prozent der Straßenschilder in Deutschland Frauen gedacht wird. Das ist ja durchaus auch eine fehlende Würdigung an Leistungen von Frauen. Und ich wollte mal gucken, wie es in meiner Heimatstadt Köln aussieht und stieß dann auf die Rita-Maiburg-Straße in Köln Ossendorf. Und ich hatte noch nie von Rita Maiburg gehört”.

Abgelehnt, weil sie eine Frau ist

Christine Drews beginnt zu recherchieren und stößt auf die nahezu unglaubliche Geschichte von Rita Maiburg. Die junge Frau bewirbt sich als Pilotin bei der Lufthansa. Von ihrer Ausbildung erfüllt sie alle Voraussetzungen. Sie wird jedoch abgelehnt, weil sie eine Frau ist. Rita Maiburg verklagt daraufhin die Lufthansa und deren Anteilseigner, die Bundesrepublik Deutschland. Sie beruft sich auf das Grundgesetz, das besagt, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind und gleichberechtigt behandelt warden müssen. Ihre Klage wird abgelehnt. Die Begründung der Richter fasst die Autorin so zusammen: “Es hieß damals, dass Frauen nicht so gut im logischen Denken wären wie Männer, dass Männer daher besser ein Flugzeug steuern könnten, dass Frauen hormonell bedingt durch die Periode Phasen im Monat hätten, wo sie sich nicht so gut konzentrieren könnten, wo sie einfach diesem Job nicht gewachsen wären. Und dann, und das war immer das alte Totschlagargument, was sicher bis heute in vielen Köpfen immer noch nachwirkt, die Schwangerschaft. Frauen werden schwanger und deshalb ist es keinem Betrieb wie der Lufthansa zuzumuten, eine Frau auszubilden und in diesen Beruf zu lassen”.

Verlassen sie sofort den Hörsaal

Der Gerichtsprozess der Rita Maiburg erregte damals die Öffentlichkeit. In der Bild-Zeitung werden Männer zitiert, die sagten, sie würden sich doch niemals in ein Flugzeug setzen, das von einer Frau gesteuert werde. Rita Maiburg verliert zwar den Prozess, wird dann aber doch bei einer kleineren Fluggesellschaft als Pilotin eingestellt. Ihr tragisches Ende: Sie stirbt mit 26 Jahren bei einem Autounfall.

In ‘Freiflug’ erzählt Christine Drews nicht nur das Schicksal der Rita Maiburg, sondern stellt der kämpferischen Pilotin eine zweite erfundene Romanfigur an die Seite. Katharina Berner heißt sie, eine Rechtsanwältin, die Rita Maiburg in dem Prozess vertritt. “Das fand ich eigentlich ganz schön, weil diese Rechtsanwältin auch in einer Männerdomäne unterwegs war”, sagt die Autorin. “Juristinnen waren damals völlig unterrepräsentiert. Es war ein reiner Männerjob damals. Sie war auch die einzige Juristin an der Universität in Köln. Studentinnen wurden damals von ihren Professoren aufgefordert, den Hörsaal zu verlassen und einem Mann nicht den Studienplatz wegzunehmen”.

Gleichberechtigung damals und heute

Es ist schockierend zu lesen, mit welcher arroganten Frechheit die Männer damals ihre Macht gegenüber Frauen rechtfertigten. Christine Drews erzählt sehr anschaulich und spannend, wie zwei Frauen in einer von Männern dominierten Welt für Gleichberechtigung kämpfen.

Zum Glück hat sich da viel geändert. Viel sei erreicht worden, sagt auch die Autorin. Aber bis zu einer wirklichen Gleichberechtigung sei es auch heute noch ein weiter Weg. “Das sieht man ja auch, was die Bezahlung angeht, die ist immer noch ungleich", sagt Drews, "und dass Frauen immer noch, sobald sie ein Kind bekommen, in Teilzeit gehen, während das bei Männern kaum zur Debatte steht. Ich würde mir wünschen, dass für die junge Generation, die 20-Jährigen von heute, die sich überlegen, in einigen Jahren Familien zu gründen, dass sich diese Frage gar nicht mehr stellt: Geht die Mutter in Teilzeit, geht der Vater in Teilzeit? Sondern dass diese Familienarbeit von den Eltern gemeinsam gelöst wird und dass auch die Arbeitgeber bessere Voraussetzungen schaffen, um so etwas möglich zu machen”.


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