Christen und Muslime in Indien besorgt über Wahlergebnis

Angst vor hindunationalistischen Strömungen

Christen und Muslime in Indien reagieren nach Einschätzung des Internationalen Katholischen Missionswerks missio in Aachen mit Sorge auf den voraussichtlichen Wahlsieg der hindunationalistischen Partei BJP und ihres Spitzenkandidaten Narendra Modi.

Indien nach der Wahl (dpa)
Indien nach der Wahl / ( dpa )

"Die hindunationalistischen Strömungen bedrohen seit vielen Jahren die Religionsfreiheit im Lande und haben in der Vergangenheit immer wieder zu gewalttätigen oder gar pogromartigen Übergriffen auf Muslime und Christen geführt", erklärte die Indien-Referentin von missio, Bettina Leibfritz, am Freitag in Aachen unter Berufung auf Partnerorganisationen in dem Land. "Je größer die Macht der BJP im Land ist, desto größer sind die Gefahren für diese religiösen Minderheiten."

Von der deutschen Bundesregierung erhofft sich missio, "angemessen kritisch im Umgang mit dem neuen wahrscheinlichen indischen Premierminister Narendra Modi zu sein", so Leibfritz weiter. "Da Narendra Modi sich im Wahlkampf als Mann der Wirtschaft positioniert hat, wird Deutschland ein ernstzunehmender Partner sein. In diesem Zusammenhang sollte von deutscher Seite aus klare Position bezogen werden", sagte die missio-Expertin.

Die katholische Bischofskonferenz Indiens ruft zu Besonnenheit auf. Die Kirche solle nicht "über Gebühr besorgt, alarmiert oder erschrocken sein, sagte Generalsekretär Erzbischof Albert D'Souza nach Beginn der Auszählung am Freitag. Das Ergebnis zeuge von der Reife der indischen Wähler, die ein "klares Votum für einen Wandel abgegeben" hätten. Der Erzbischof D'Souza von Agra sagte, die Rolle der Kirche sei es nun auch, über eine volle Einhaltung der indischen Verfassung zu wachen.

Vielfalt und Pluralismus in Gefahr

Der indische katholische Priester und Menschenrechtsaktivist Ajaya Kumar Sing aus Odisha sieht im Gespräch mit missio die "Vielfalt und den Pluralismus Indiens" in Gefahr. "Die Menschenrechte und die Menschenwürde stehen auf dem Spiel", so Ajaya Kumar Sing. Der Aktivist befürchtet, das die hindunationalistische Ideologie den säkularen Staat bedrohe und "allmählich als Staatsreligion Fuß fassen kann, während die Minderheiten, die mit ihrer Religion und ihrem Glauben die gleichen Rechte wie alle Inder genießen, in den Privatbereich zurückgedrängt werden". Künftig könne in Indien "jede auch nur einigermaßen vernünftige, unabhängige und für die Menschenrechte eintretende Stimme als Störenfried, als feindlicher Agent oder Terrorist abgestempelt werden."

"Unsere schlimmsten Befürchtungen sind jetzt Realität geworden", postete der Jesuit Cedric Prakash am Freitag auf Facebook. Der Direktor des Zentrums für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden in Gujarat rief seine Landsleute auf, alles zu tun, "um den Pluralismus unseres Landes zu bewahren und ganz besonders die Rechte der Armen, der Ausgegrenzten, der Minderheiten und der verletzlichen Gruppen in unserem Land zu verteidigen".

Der Menschenrechtler Prakash bezeichnete die Hindutva-Ideologie im Vorfeld der Wahl als "im Kern faschistisch und fundamentalistisch". An vielen Gewaltaktionen gegen religiöse Minderheiten in den vergangenen Jahrzehnten seien extremistische Hindus beteiligt gewesen.

Die bisher größte Oppositionspartei Indiens, die BJP, ist nach ersten Schätzungen mit ihrem Premierministerkandidaten Narendra Modi auf dem Weg zu einem deutlichen Wahlsieg. Hindu-Nationalisten und ihre verbündeten Parteien könnten auf 272 der 543 Sitze Parlamentssitze kommen. Das würde erstmals seit 30 Jahren einer absoluten Mehrheit einer Partei entsprechen.


Quelle:
KNA