Chrisam-Messe stand ganz im Zeichen der Ermutigung

"Wir sind aufeinander angewiesen"

Immer am Montag in der Karwoche lädt Kardinal Woelki die Priester, Diakone und Seminaristen seines Bistums zu einem Oasentag ein, der jeden Einzelnen in seiner Berufung stärken soll.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Chrisam-Messe im Kölner Dom / © Tomasetti (DR)
Chrisam-Messe im Kölner Dom / © Tomasetti ( DR )

Selbst für Kölner Verhältnisse, wo es liturgisch gemein hin sehr festlich zugeht, bietet sich am Ende dieser Chrisam-Messe ein eher seltenes Bild. Denn endlos lang ist die Prozession der ausziehenden Bischöfe, Priester, Diakone und Seminaristen. Zu keinem anderen Zeitpunkt im Jahr nämlich sind so viele Seelsorger aus dem gesamten Erzbistum, aber vereinzelt auch Besucher von weit her, um den Altar des Kölner Doms versammelt wie zu diesem Gottesdienst am Montag der Karwoche, zu dem ausdrücklich auch alle Gläubigen eingeladen sind. Und nach zwei Jahren Pandemie ist die Kirche diesmal wieder sichtlich gefüllt. Denn zu Hunderten sind sie der Einladung Woelkis gefolgt. Nun stehen die Geistlichen bis in die letzten Bankreihen des Mittelschiffes und des südlichen Querhauses hinein – teils in Zivil, die meisten in Albe und Stola. Auch um den Altar schart sich an diesem Tag ein besonders großer Kreis von Konzelebranten in festlich weißen Gewändern: Hier haben die Vertreter des Domkapitels sowie die Stadt- und Kreisdechanten ihren Platz.

Eigens aus dem luxemburgischen Schengen sind die Pfarrer Daniel Graul und Marcel Pundel zu dieser Kölner Feier angereist. "Es ist immer interessant, was der Kölner Erzbischof zu sagen hat. Man bekommt mal eine andere Sicht vermittelt und erlebt nebenbei auch noch ein Stück Weltkirche", argumentiert Graul, der schon seit über 20 Jahren an der Kölner Chrisam-Messe teilnimmt. "Schon als Seminarist hat mich dieser Gottesdienst fasziniert, zumal es hier weitaus feierlicher als bei uns daheim zugeht. Man spürt, dass die Rheinländer ihren Katholizismus pflegen, und man geht immer gestärkt von hier weg. Außerdem zeige ich auf diese Weise meine Verbundenheit mit der Kölner Diözese." Als persönliche "Unterstützung in schwierigen Zeiten" will indes Pundel sein Kommen verstanden wissen, zumal ihn das Verhalten der Kölner ihrem Bischof gegenüber mitunter mehr als befremdet, wie er erklärt.

Chrisam-Messe ist Quelle der Ermutigung

Ähnlich sieht es Pfarrer Elmar Kirchner. Für ihn ist die Ölweih-Messe eine wichtige Gelegenheit, sein Weiheversprechen zu erneuern. "Außerdem will ich dem Kardinal Rückenwind geben und ein Zeichen der Solidarität setzen", begründet der Essener Diözesanpriester, der 2011 nach Köln gewechselt und seit letztem Sommer in der Pfarrseelsorge in Bergisch Gladbach eingesetzt ist. Ezekiel Oko aus Nigeria, Kaplan an St. Sebastian in Bonn-Poppelsdorf und Promovend an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie, nimmt zum zweiten Mal am Kölner Oasentag teil. "Ich bin hier, weil ich mich freue, meine Gelübde erneuern zu können. Diese Feier ist für mich eine Quelle der Ermutigung und die Zusage, dass Gott mir bei allen Schwierigkeiten meiner Berufung beisteht." Außerdem sei es einfach toll, sagt der 45-Jährige, viele andere Priester zu treffen. Ja, der sogenannte Oasentag diene ihm zum Krafttanken und zur Selbstvergewisserung des eigenen Glaubens.

Erzbischof Kardinal Woelki betont in seiner Begrüßung die große Bedeutung dieser Stunde, in der das Presbyterium zusammenkomme, um sein Bereitschaftsversprechen für den priesterlichen Dienst zu erneuern und sich gleichzeitig auf die Feier der heiligen Geheimnisse, wie er erläutert, vorzubereiten. Dabei würde in diesem Gottesdienst an alle die Kinder und Erwachsenen gedacht, die mit den in dieser Messe zu weihenden Ölen durch Taufe und Firmung der Gemeinschaft der Kirche zugeführt würden, sowie der Mitbrüder, die in diesem Jahr das heilige Sakrament der Weihe empfangen würden. "Die Kirche ist ohne die Eucharistie nicht denkbar", unterstreicht Woelki im Weiteren, "und weil eine Kirche ohne Eucharistie nicht denkbar ist, ist auch eine Kirche ohne das sakramentale Priestertum nicht denkbar."

Kardinal Woelki

"Die Erneuerung unseres Bereitschaftsversprechens ist nicht nur so etwas wie eine Pflichtübung, sondern wie eine Liebeserklärung an den, dem wir unsere Berufung verdanken."

Die Priester und Diakone sind es auch, die der Kardinal immer wieder sehr persönlich in seiner Predigt anspricht und bittet, angesichts der gegenwärtigen Krise der Kirche nicht mutlos zu werden, sondern aus dem erneuten "Adsum" in der großen Gemeinschaft aller Mitfeiernden wieder Ermutigung zu schöpfen, damit "aus der einsamen Situation ein mächtiger Chor, aus dem Einzelkämpfer, der sich oft auf verlorenem Posten fühlt, eine Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ideal und einem gemeinsamen Ziel" werde. Zunächst aber dankt er allen Anwesenden ausdrücklich für ihren "oftmals so mühevollen priesterlichen und diakonalen Dienst". Wörtlich sagt er: "Gott selber möge einmal Ihr 100fältiger Lohn sein." Die Erneuerung des eigenen Weiheversprechens, fügt er hinzu, sei nicht so etwas wie eine Pflichtübung, sondern eine Liebeserklärung an den, "dem wir unsere Berufung verdanken".

Woelki formuliert den Wunsch, dass das Bewusstsein der "Communio" – griechisch "Koinonia", der Gemeinschaft nach dem Urbild des dreieinigen Gottes – eben auch in den alltäglichen Sorgen und Belastungen des priesterlichen Dienstes trage, "um zueinander zu halten, einander beizustehen und als aufmerksame und feinfühlige Brüder aufeinander achtzugeben". Schließlich hätten manche den Eindruck, konstatiert er, eher in einem Steinbruch als im Weinberg des Herrn eingesetzt zu sein. Gerade deshalb diene ein solcher Tag dazu, sich in besonderer Dichte der eigenen Berufung zu erinnern – auch um ihr treu bleiben zu können. In einer Situation der restlosen Überforderung, die jeder mal erlebe, weil von ihm zu viel und vielerlei Verschiedenes erwartet und eingefordert werde, er mitunter an die Grenzen seiner Kraft stoße oder sich ins eigene Schneckenhaus zurückziehe, brauche es den Mut zu geistiger Mitte“, betont der Erzbischof. "Wir brauchen den Mut zu missionarischem Geist. Und wir brauchen den Mut zur Communio."

Kardinal Woelki

"Wir müssen der Versuchung widerstehen, uns nur mit der kleinen Schar der Getreuen zu befassen."

"Diese Mitte ist kein totes Prinzip", entwickelt Woelki seinen zentralen Gedanken weiter, "sie ist eine lebendige Person, und sie trägt einen Namen: Jesus Christus." Mit ihm gelte es, in einem bleibenden Lebensaustausch zu stehen und sein Angebot einer permanenten Lebensgemeinschaft mit ihm anzunehmen. Es gehöre zur ersten und grundlegenden Voraussetzung des priesterlichen Dienstes, "immer wieder den Herrn zu suchen, immer wieder auf seine Stimme zu hören, immer wieder auf ihn zu schauen, um ihm dann mit aller Entschiedenheit, Klarheit und Eindeutigkeit zu folgen. Wir sind berufen, mit dem Herrn in einem engen Freundschaftsband zu leben, ihn immer tiefer zu erkennen, wie man das bei einem guten Freund auch versucht; ihn zu erkennen, damit man wirklich bei ihm und mit ihm sein kann." Doch diese Gemeinschaft mit Christus dürfe man nicht nur für sich behalten, womöglich auf einen kleinen Kreis limitieren, sondern müsse sie entsprechend der eigenen Sendung auch möglichst vielen anderen erschließen, mahnt der Kardinal. "Wir müssen der Versuchung widerstehen, uns nur mit der kleinen Schar der Getreuen zu befassen. Wir sind für alle da und zu allen gesandt, so viel wir auch im inneren Bereich der Kirche zu tun haben mögen. Wir sind nur dann Kirche, wenn ihre missionarische Ausrichtung auch die Grundausrichtung unseres Wirkens ist."

Sich gegenseitig halten und stützen

Denn eine pilgernde Kirche sei ihrem Wesen nach missionarisch, so Woelki weiter. Und was zum Wesen der Kirche gehöre, gehöre unabdingbar auch immer zum Wesen des priesterlichen Dienstes. "Das aber können wir nicht allein; wir sind aufeinander angewiesen", betont der Erzbischof wörtlich. Zum gemeinsamen Zeugnis aber sei die Gemeinschaft der Priester nur fähig, "wenn wir uns gegenseitig halten, tragen und stützen, wenn wir uns gegenseitig im Glauben und in unserer gemeinsamen Berufung immer und immer wieder neu bestärken." Die Wirksamkeit des priesterlichen und pastoralen Dienstes hänge nicht zuletzt auch von der Gemeinschaftsfähigkeit und von der Einheit des Presbyteriums ab. Dabei sei die innere Haltung entscheidend. "Sie ist in jeder pastoralen Situation, in jedem Alter und in jeder körperlichen Konstitution möglich und nötig. An uns liegt es, dass wir mit ganzer Kraft zur Communio bereit sind, dass wir sie innerlich bejahen, dass wir sie aufrichtig wollen, dass wir ihr durch unser Leben eine konkrete Gestalt geben." Der einst bei der Priesterweihe empfangene Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, so Woelki, bewahre vor Mutlosigkeit und Resignation – auch angesichts des gegenwärtig steinigen Weges, den das Bistum bei allen Herausforderungen und Unwägbarkeiten zu gehen habe.

Kardinal Woelki

"Ich möchte Ihnen aufrichtig sagen, dass es mir leid tut, wo ich für Sie zum Stein des Anstoßes geworden bin, wo Sie meinetwegen auch in Ihren Seelsorgebereichen viel Zorn und Unverständnis oder auch Frustration zu erdulden hatten."

Vor dem Schlusssegen richtet der Kardinal noch ein persönliches Wort der Entschuldigung an seine so zahlreich versammelten Mitbrüder und räumt ein, dass deren Dienst in den vergangenen Wochen und Monaten nicht immer einfach gewesen sei. "Ich möchte Ihnen aufrichtig sagen, dass es mir leid tut, wo ich für Sie zum Stein des Anstoßes geworden bin, wo Sie meinetwegen auch in Ihren Seelsorgebereichen viel Zorn und Unverständnis oder auch Frustration zu erdulden hatten", sagt Woelki. "Es tut mir leid, wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise auch persönlich Unrecht getan habe oder Ihnen nicht gerecht geworden bin durch Entscheidungen oder Dinge, die ich gesagt oder getan habe." Dann wünscht der Erzbischof allen Anwesenden von Herzen ein gesegnetes und gnadenreiches Osterfest und betont: "Denn wir alle leben von der Güte und der Barmherzigkeit Gottes, der uns am Kreuz und damit im Letzten auch an Ostern aufgeschienen ist." Abschließend appelliert er an seine Zuhörer: "Werden wir Zeuginnen und Zeugen dieser Güte und Barmherzigkeit, dieses Auferstehungs- und Erlösungsgeschehens. Dann wird Ostern für die Kirche insgesamt, für unser Bistum, aber auch für jeden Einzelnen."

Chrisam - Heilige Öle

"Heilige Öle" sind Salböle, die in der katholischen Kirche bei verschiedenen Weihehandlungen benötigt werden. Sie finden Verwendung bei Bischofs- und Priesterweihen sowie der Weihe von Altären und Kirchen. Auch im Rahmen von Taufe und Firmung kommen die Öle zum Einsatz. Gleiches gilt für die Krankensalbung. Geweiht werden die Öle - meist handelt es sich um Pflanzen- oder Olivenöl mit beigefügten Duftstoffen - in sogenannten Chrisammessen kurz vor Ostern.

Chrisam und Salböl am Taufbecken / © Harald Oppitz (KNA)
Chrisam und Salböl am Taufbecken / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR