China bleibt in der Tibet-Frage hart

Die Repression hält an

Der Dalai Lama hat Grund zur Sorge. Während das geistliche Oberhaupt der Tibeter von diesem Donnerstag an vier Tage lang an buddhistischen Unterweisungen in der Commerzbank-Arena in Frankfurt am Main teilnehmen wird, hält die Unterdrückung seines Volkes in der Heimat an. Der offizielle Dialog zwischen der chinesischen Regierung und Vertretern des Dalai Lama liegt seit November vergangenen Jahres auf Eis.

Autor/in:
Kristin Kupfer
 (DR)

Rund 16 Monate nach den schweren Unruhen im März 2008 kommt es immer wieder zu Protesten in der Region. Der Dalai Lama fordert größere Autonomie für ein zusammenhängendes Gebiet «Großtibet». Peking lehnt solche Veränderungen als «Eingriff in die territoriale Integrität» ab. Die Lage in und um die «Autonome Region Tibet» ist nach wie vor gespannt. Augenzeugen berichten, dass Militärpolizisten in der Hauptstadt Lhasa Wache halten.

«Menschen werden eingeschüchtert, keine Informationen an ausländische Organisationen weiterzugeben», sagt Jampa Monlam, Vize-Direktor des Tibetischen Menschenrechtszentrums mit Sitz im indischen Dharamsala, dem Exil des Dalai Lama. Wer an Demonstrationen teilnimmt, lande nicht selten im Gefängnis. Andere verschwinden, wie jüngst zwei Mönche des Klosters Labrang im Norden der Provinz Gansu. «Von mehr als 1.000 Festgenommenen fehlt jede Spur», sagt Jampa.

Das Menschenrechtszentrum sieht die harte Hand Chinas im Zusammenhang mit den Unruhen in der Minderheitenregion Xinjiang, wo es Anfang Juli zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der muslimischen Minderheit der Uiguren und chinesischen Sicherheitskräften gekommen war. Nach offiziellen Angaben starben 197 Menschen. «Peking fürchtet sich vor weiteren Protesten», sagt Jampa. Zudem stehen die Feierlichkeiten zum 60. Gründungstag der Volksrepublik am 1. Oktober vor der Tür. Und die wollen in Eintracht begangen werden.

Ein Zeichen für die zunehmende Nervosität der Zentralregierung ist auch die Ausweitung der sogenannten «patriotischen Erziehungskampagne». Mittlerweile müssen laut Menschenrechtszentrum nicht mehr nur tibetische Mönche, sondern auch Schüler, Studenten und Angestellte in öffentlichen Institutionen und Unternehmen ihre Loyalität gegenüber der kommunistischen Führung bekennen.

Chinas staatliche Medien sehen Tibet dagegen auf harmonischem Erfolgskurs. Das Bruttoinlandsprodukt sei im ersten Halbjahr um 10,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Auch die Einkommen der ländlichen Bevölkerung hätten um 15,6 Prozent auf knapp 100 Euro monatlich zugelegt. Die Behörden präsentieren sich darüber hinaus kulturell engagiert: Rund drei Millionen Euro fließen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua ab Ende Juli in der Renovierung der beiden größten Tempel Jokhang und Ramoche in Lhasa.

Eine Gruppe von Intellektuellen der «Open Constitution Initiative» in Peking stellt die offizielle Position der Regierung infrage. Sie führen den Aufstand im vergangenen Jahr auf die mangelnde wirtschaftliche Beteiligung der Tibeter und ihre kulturelle Gefährdung zurück. Die chinesische Führung antwortete auf einen entsprechenden Forschungsbericht zunächst mit Steuerstrafen in Höhe von 140.000 Euro. Dann schloss sie das Büro der Initiative.

Trotz der Rückschläge unterstützen viele Tibeter nach wie vor den Kurs des Dalai Lama. Stimmen vor allem jüngerer Exiltibeter, die des Dialogs mit Peking überdrüssig sind und die Unabhängigkeit Tibets fordern, sind bislang in der Minderzahl. Auch der mögliche Nachfolger des 74 Jahre alten Dalai Lama, der dritthöchste Geistliche der Tibeter, Karmapa Lama, hält sich beim Thema Politik bedeckt.