In Chile kämpft das Volk der Mapuche für Selbstbestimmung und Land

Hungern für einen gerechten Prozess

Seit dem 12. Juli sind in Chile 34 inhaftierte Angehörige des Mapuche-Volkes im Hungerstreik. Sie alle sitzen in Untersuchungshaft, einige seit über 19 Monaten. Die Anklagen reichen von versuchtem Mord, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Gewalt gegen die Polizei über Brandstiftung bis hin zu Holzdiebstahl. Die Mapuche streiten für Selbstbestimmung und Land.

Autor/in:
Jürgen Vogt
 (DR)

Einige der Inhaftierten wurden bereits von Zivilgerichten aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Doch die Justiz hält sie weiter fest. Sie sollen vor ein Militärgericht gestellt werden.



Möglich macht dies ein Gesetz aus der Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973 - 1990): Das sogenannte Anti-Terrorgesetz erlaubt eine Untersuchungshaft von bis zu zwei Jahren und verbietet den Anwälten der Angeklagten Zugang zu den Ermittlungsakten in den ersten sechs Monaten. Außerdem sind anonyme Zeugen zugelassen.



Unter den Hungerstreikenden ist auch der 24-jährige Eliseo Ñirripil. Am 6. Februar 2009 rückte die Polizei in Mannschaftsstärke vor dem Haus der Familie an, bewaffnet bis an die Zähne. Sie hätten alles durchsucht, erzählt sein Vater, Pedro Ñirripil. "Alles von Eliseo haben sie mitgenommen. Seine Wäsche, seine Kleidung, nicht ein Bild von ihm haben sie hier gelassen."



Sieben Prozent der chilenischen Bevölkerung

Die Mapuche leben vor allem im Süden des Landes und stellen mit ihrer Million Angehörigen knapp sieben Prozent der chilenischen Bevölkerung. Im Laufe der Geschichte wurde der Stamm um immer mehr Land gebracht. Im 19. Jahrhundert waren fünf Millionen Hektar Land im Besitz von Mapuche-Gemeinschaften. Bis 1929 waren es noch 500.000 Hektar. Unter Pinochet verloren sie erneut 200.000 Hektar. "Zu unseren Großeltern kamen damals Leute, die sie nicht verstanden, und sie mussten Verträge unterschreiben, die sie nicht lesen konnten," sagt Pedro Ñirripil.



Pedro Ñirripil lebt mit seiner Frau Elena Cayupan in der Gemeinschaft "Mateo Ñirripil". "Hier heißen fast alle Ñirripil oder Cayupan, fast alle sind mit einander verwandt." Einzeln liegen die Häuser über das hügelige Land verstreut, über 600 Kilometer von der Hauptstadt Santiago entfernt. Die Kommune besteht aus 160 Familien. Während der Diktatur versuchte der Staat, das noch verbliebene Gemeinschaftsland der Mapuche aufzuteilen und aus den Besitzern Kleinbauern zu machen. In "Mateo Ñirripil" ist das gelungen. Sie Gemeinschaft verlor 300 Hektar, geblieben sind ihr noch 160 Hektar. Jede Familie besitzt einen Hektar. Was sie darauf anbauen, ist fast ausschließlich für den Eigenbedarf.



"Die Regierung hat uns nie als politischen Akteur anerkannt, sondern immer nur als Hilfsempfänger," sagt Pedro Ñirripil enttäuscht. Ihre Kinder seien während der Amtszeit der sozialistischen Präsidenten Ricardo Lagos und Michelle Bachelet als Terroristen eingesperrt worden. Fünf Erwachsene und ein Minderjähriger der Gemeinschaft befinden sich im Hungerstreik.



"Hier kommt keiner weiter"

Seit Ende der Diktatur kauft der Staat freie Flächen auf und verteilt sie unter den Mapuche. 500.000 Hektar wurden seitdem rückübertragen. Doch es ist zu wenig, weil niemand enteignet werden soll. Alle in seiner Gemeinschaft seien arm, erzählt Pedro Ñirripil. "Hier kommt keiner weiter." Deshalb wollen sie mehr Land und eine bessere Ausbildung. "Das Land hier hat schon immer den Mapuche gehört", betont er. "Es ist die Frage wie wir es zurückgewinnen können."



Einige Mapuches versuchen es mit Landbesetzungen, Straßenblockaden und Brandanschlägen auf Scheunen, Ernten und Lkw. Deshalb patroullieren immer mehr Polizisten in der Gegend. Holzfirmen oder Farmer, die sich bedroht fühlen, beantragen Schutz von Sicherheitskräften. Die Uniformierten werden in die riesigen Pinien- und Eukalyptusplantagen der großen Zellstoffkonzerne abkommandiert. An die 50 Ländereien stehen unter Polizeischutz. Dies wiederum bringt die Mapuche weiter auf, die von einer Militarisierung der Region sprechen.