CDU-Politiker Norbert Blüm wird 75 Jahre alt - Geburtstagsinterview

Werkzeugmacher und Minister

Der CDU-Politiker Norbert Blüm wird heute 75 Jahre alt. Mit dem Namen des langjährigen Bundesarbeitsministers sind eine Gesundheitsreform sowie zwei große Rentenreformen verknüpft. Zu seinen Leistungen gehört zudem die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995. domradio.de gratuliert und sprach mit Blüm über sein Leben und seine Pläne.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Norbert Blüm liebt Märchen. Nicht nur, dass der quirlige CDU-Politiker selber schon Kinderbücher verfasst hat. Auch wenn es um die harte Politik geht, greift er gern zu prägnanten Bildern. Dann vergleicht er Analysten, Bankexperten, Ratingagenturen und Wirtschaftsprofessoren mit dem Kaiser, der keine Kleider anhat. «Nie hat sich eine Zunft, die das Etikett Wissenschaft in Anspruch nimmt, mehr blamiert als die der Ökonomen» ätzte er im Zusammenhang mit der
Finanz- und Wirtschaftskrise.

Blüm selber wird immer wieder vorgehalten, dass er Märchen erzählt hat. «Die Rente ist sicher», dieser Satz aus dem Jahr 1986 fällt in diesem Zusammenhang immer wieder. Doch der langjährige Bundesarbeitsminister denkt gar nicht daran, sich dafür zu entschuldigen. «Ich bleibe bei dem Satz, dass ein Rentensystem, das auf Arbeit aufbaut, mehr Sicherheit bietet als eines, das kapitalgedeckt ist und uns als goldene Zukunft gepriesen wurde», argumentiert er mit Blick auf die Krise. «Von 132.000 Pensionsfonds in den USA haben 32.000 überlebt.»

Wider den «wild gewordenen Finanzkapitalismus»
Auch kapitalgedeckte Systeme müssten angesichts der Zunahme alter und pflegebedürftiger Personen ihre Beiträge erhöhen, fügt Blüm hinzu. Und wettert gegen den «wild gewordenen Finanzkapitalismus» - eine Position, mit der er in seiner Partei eine Zeit lang isoliert war, für die er mittlerweile aber wieder großen Beifall erhält. Der gern auch als «Herz-Jesu-Sozialist» bezeichnete Politiker ist geprägt von der katholischen Soziallehre eines Oswald von Nell-Breuning. Was ihn aber nicht davon abhielt, katholischen Bischöfen vorzuwerfen, ins neoliberale Fahrwasser geraten zu sein.

Nicht, dass der Polit-Oldi noch großen politischen Einfluss hätte: Zu sehr steht er nach Meinung vieler für eine Sozialpolitik, die auf Globalisierung, Alterung der Gesellschaft und Generationengerechtigkeit keine Antwort fand. Und doch merken viele in der Union, dass Blüm - zusammen mit Heiner Geißler - für ein Wertesystem steht, das über den Tag hinausgeht.

Engagement in der Entwicklungspolitik
Deshalb auch sein Engagement in der Entwicklungspolitik, für Cap Anamur, die Grünhelme und die Kindernothilfe. Oder die Vorlesungen an den Universitäten Bonn und Aachen, in denen er den Studenten Grundlagenwissen an der Schnittstelle zwischen Politik und Gesellschaft vermittelt. Dabei geht es dann um die Frage, welche Rolle Arbeit für ein gelungenes Leben spielt.

Blüm selber kann dabei aus ganz unterschiedlichen Erfahrungswelten schöpfen: In den 60er Jahren studierte der ehemalige Pfadfinder und gelernte Werkzeugmacher Philosophie, Germanistik, Geschichte und, als ehemaliger Messdiener, Theologie - unter anderem bei Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI. 30 Jahre lang war er im Bundestag, 16 Jahre lang Arbeits- und Sozialminister in der Regierung Kohl - umso härter der Bruch über die CDU-Spendenaffäre.

Viele Reformen durchgesetzt
Als Minister hat Blüm eine Gesundheitsreform und zwei große Rentenreformen durchgesetzt. Aber die sich wohl am meisten mit seinem Namen verbindende Leistung ist die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995. Dass es auch ein Leben neben der Politik gibt, darauf hat er schon früh bestanden: «Ich habe mir auch zu meiner politischen Hauptzeit gedankliche Auszeiten genommen», sagte er. «Politiker, die mit Politik aufstehen, das Mittagessen als Arbeitsessen organisieren und nachts politisch träumen, halte ich für gefährlich.»

Nach dem Rückzug aus der Politik trat Blüm, der seit 1964 mit der Kunstmalerin Marita Blüm verheiratet ist und drei Kinder hat, in volkstümlichen TV-Sendungen und bei Karnevals-Veranstaltungen auf. Fünf Jahre war er Mitglied des Rateteams von «Was bin ich». Ab 2007 ging er mit dem «Tatort»-Kommissar Peter Sodann auf Kabarett-Tournee. In dem Programm kommentiert das ungleich Paar als Rentner im Altersheim einen fiktiven deutschen Staat des Jahres 2027, den der Vorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann als Kanzler führt. - Für manche ein Märchen mit bitterem Beigeschmack. Aber vielleicht gerade deswegen ein Fall für Blüm.