Caritas zur Fliegerbombenentschärfung an Weihnachten

"Stern von Bethlehem geht über Augsburg auf"

In Augsburg stellen sich 54.000 Menschen am Weihnachtsfest dieses Jahr einer ganz besonderen Herausforderung. Eine Fliegerbombe muss entschärft werden. Auch Kirchen und Bewohner von Seniorenheimen sind betroffen.

Zur geplanten Entschärfung der Bombe in Augsburg müssen mehr als 50.000 Menschen die Augsburger Innenstadt verlassen / © Stefan Puchner (dpa)
Zur geplanten Entschärfung der Bombe in Augsburg müssen mehr als 50.000 Menschen die Augsburger Innenstadt verlassen / © Stefan Puchner ( dpa )

domradio.de: Die Fliegerbombe wird ausgerechnet am Ersten Weihnachtstag entschärft. Im Augsburger Dom kann die Festmesse nicht gefeiert werden, weil die Innenstadt ab 10 Uhr evakuiert wird. Ein enormer organisatorischer Aufwand, den die Stadt kurzfristig betreiben muss. Die Caritas muss mehrere Seniorenheime räumen. So eine Fliegerbombe liegt ja nicht seit gestern da. Weshalb wird die nun ausgerechnet am 25. Dezember entschärft?

Bernhard Gattner (Pressesprecher Caritasverband der Diözese Augsburg): Das Problem ist, dass sie erst am Dienstagabend entdeckt wurde. Dann müssen die Spezialisten ran, schauen, was das für ein Ding ist: Kann man sie entschärfen? Muss man sie entschärfen? Kann man sie einfach abtransportieren? Und dann läuft natürlich der ganze Maßnahmen-Plan.

Es ist eben eine Bombe von 3,8 Tonnen. Wer die Bilder von München-Schwabing kennt, wo die Sicherheitskräfte damals eine Bombe gezielt gezündet haben: Die Bombe damals hatte nur 250 Kilo. 

domradio.de: Ausgerechnet am 25. Dezember - das stellt auch Sie als Caritas vor große Herausforderungen. Sie kümmern sich ja um kranke, bettlägerige Menschen. Wie viele müssen Sie da jetzt evakuieren?

Gattner: Zu unseren Einrichtungen gehören vier Altenpflegeeinrichtungen - das sind etwa 500 Bewohnerinnen und Bewohner im Durchschnittsalter von 80 Jahren. Davon sind 70 Prozent demenziell erkrankt, 60 sind bettlägerig - müssen also liegend befördert werden. Das heißt, das ist eine unheimliche logistische Herausforderung, die Menschen aus diesen Einrichtungen herauszubringen. Wir können sie aber insofern gut lösen, weil wir auf unsere eigenen Einrichtungen in der Umgebung zurückgreifen können. Dort ist Platz, dort können die 500 Menschen untergebracht werden.

Alle Pflegekräfte sind dienstverpflichtet. Und das ist gerade für die demenziell erkrankten Menschen sehr gut, weil die ihnen vertrauten Pflegekräfte sie begleiten werden - aus dem Haus in die neuen Einrichtungen. So haben sie immer jemand Vertrautes um sich herum. Wir wissen, dass es insbesondere bei demenziell schwer erkrankten Menschen eine Katastrophe ist, wenn sie aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen werden. Wir versuchen das dadurch aufzufangen, dass wir sagen: Die eigenen Pflegekräfte sind dabei und man geht eben nicht in Turnhallen sondern in ähnlich gestaltete, vertraute Häuser. 

domradio.de: Das ist für die Ihnen anvertrauten Patienten wunderbar. Die Pfleger müssen jetzt auch auf ihr Weihnachten zu Hause und mit ihren Lieben ansatzweise verzichten. 

Gattner: Das ist richtig, aber alles andere wäre unsinnig. Jetzt ist nunmal die Herausforderung da, dass wir die Menschen evakuieren müssen. Die Stadt Augsburg leistet hier aus meiner Sicht hervorragende Arbeit. Der Grunsatz: "Sicherheit geht vor, es gibt keine Ausnahmen" ist eindeutig richtig. Wir werden das auch Dank der Organisationshilfen der Stadt sicherlich meistern.

Eine Frage ist noch nicht geklärt, aber da konnte auch die Stadt bislang noch nicht so weit sein: Wie wird der Transport geregelt? Welche Fahrzeuge stehen wann bereit? Wie kann man das alles abwickeln? Denn es ist ja nicht so wie bei uns; wir können einfach ins Auto steigen. Hier brauchen wir aber Sanitätsfahrzeuge. Dann gibt es die Frage: Wer ist infektiös? Dann muss das Fahrzeug wieder desinifiziert werden und, und, und... Also eine ganze Menge Fragen. 

domradio.de: Gibt es denn Ansagen und Prognosen, wie lange das Ganze dauert, also, wann Sie Menschen dann wieder zurück transportieren?

Gattner: Das ist ganz abhängig von der Entwicklung der Dinge. Eigentlich soll alles bis 17 Uhr erledigt sein. Aber ob auch wirklich alles funktioniert, ist natürlich noch nicht klar.

domradio.de: Gibt es denn eigentlich Alternatien für ein weihnachtlich-festliches Angebot, obwohl die Betroffenen für eine Weile aus ihren Einrichtungen heraus müssen?

Gattner: Die Vereine rundherum haben angeboten, ihre Pfarrsäle zur Verfügung zu stellen, die Menschen dort auch zu versorgen. Die Daten werden jetzt alle gesammelt, so dass die Leute auch erfahren können, wo sie hingehen können. Das Erstaunliche ist, wie groß die Hilfsbereitschaft der Leute in dieser besonderen Situation ist. Und wenn man das mal bildlich übertragen kann: Der Stern von Bethlehem geht in ganz besonderer Weise dadurch über Augsburg auf. Denn die Menschen halten in hervorragender Weise zusammen und stehen sich zur Seite.

Das Interview führte Uta Vorbrodt. 


Quelle:
DR