Caritas zum neuen Hospiz- und Palliativgesetz

"Jeder Hausarzt braucht palliativmedizinische Kenntnisse"

200 Millionen Euro mehr für Hospize und Palliativmedizin - das ist viel, aber noch nicht genug, sagt Martha Wiggermann im Gespräch mit domradio.de. Die Kölner Caritas-Referentin wünscht sich, dass jeder Hausarzt über Palliativmedizin Bescheid weiß.

Patient auf der Palliativstation der Kölner Uniklinik am 23.1.15 (epd)
Patient auf der Palliativstation der Kölner Uniklinik am 23.1.15 / ( epd )

domradio.de: An diesem Mittwoch diskutiert der Bundestag über den Ausbau der Palliativmedizin. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will 200 Millionen Euro in die Sterbebegleitung investieren. Das klingt ganz gut, oder?

Martha Wiggermann (Referentin für Hospizarbeit und Palliativversorgung des Kölner Diözesan-Verbandes der Caritas): Das klingt erst einmal nach viel Geld, aber auf das gesamte Bundesgebiet gesehen ist es doch sehr wenig. Wir denken, dass sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich insgesamt deutlich mehr Hilfen nötig sein werden. Wenn bei der ambulanten Palliativversorgung Möglichkeiten der häuslichen Krankenpflege aufgenommen werden sollen, wird das viel Geld kosten. Für die Unterbringung in stationären Einrichtungen haben Diakonie und Caritas hochgerechnet, dass wir da 250 bis 300 Millionen Euro mehr brauchen. Das Geld, das jetzt investiert werden soll, reicht also noch lange nicht.

domradio.de: Wo sehen Sie die größten Probleme der Palliativmedizin? Oder anders: Wo muss am dringendsten ausgebaut werden?

Wiggermann: Ich wünsche mir, dass jeder Hausarzt verpflichtet wird, palliativmedizinische Grundkenntnisse zu haben. Dann könnten er Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleiten oder an ausgebildete Palliativmediziner vermitteln. Diese Palliativmediziner haben wir ja auch schon in vielen Regionen als niedergelassene Ärzte - aber noch nicht in allen, vor allem nicht in den ländlichen Regionen.  

domradio.de: Gesundheitsminister Gröhe will ja, dass jeder den Anspruch auf eine solche Beratung bekommt. Das finden Sie sicher gut, oder?

Wiggermann: Das finden wir sehr gut. Aber das müssen nicht nur die Ärzte machen. Wir denken, dass es ein Beratungsangebot durch geschulte Mitarbeiter geben müsste, das einen sehr niederschwelligen Zugang hat. Hospizvereine, Sozialstationen und andere Pflegeberatungsstellen könnten Hinweise auf die Hilfen geben, die in der Region möglich sind.

domradio.de: In den Pflegeheimen sterben jedes Jahr rund 340.000 Menschen und die Patientenverbände kritisieren jetzt, dass palliative Betreuung dort bisher gar nicht ankommt. Stimmt das?

Wiggermann: Ja, leider ist es so, dass in den Pflegeheimen die personellen Ressourcen so sind, dass Menschen pflegerisch gut versorgt werden können. Aber auf die besonderen Belange von sterbenden Menschen, auf deren Ängste oder Schmerzen am Lebensende, auf existenzielle Fragen, die am Lebensende nochmal auftauchen, eingehen zu können, dazu fehlt es an geschultem Personal. Das gibt es in Hospizen sehr viel mehr.  

domradio.de: Was wünschen Sie sich von Gesundheitsminister Gröhe?   

Wiggermann: Ideal wäre aus meiner Sicht eine Zulage zum Pflegesatz, die sicherstellt, dass alle Menschen eine angemessene Begleitung am Lebensende bekommen. Die müsste über die Kassen so finanziert werden, dass es nicht über den Pflegesatz der Bewohner selber tragen muss. An der Stelle sind die Bewohner im Heim gegenüber allen ambulant versorgten Menschen und denen in Krankenhäusern und Hospizen sehr benachteiligt, weil der Pflegesatz der Pflegeheime vom Bewohner selbst zu tragen ist und nur ein pauschaler Zuschuss von der Pflegekasse gezahlt wird. Und wenn der Bewohner und seine Angehörigen selbst nicht zahlen können, tritt der Träger der Sozialhilfe ein. Wenn man aber ambulant oder im Hospiz versorgt wird, zahlt es die Krankenkasse. 

 

Die Fragen stellte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR