Caritas weist Regierungsvorwurf schleppender Haiti-Hilfe zurück

„Die Herausforderungen sind enorm“

Caritas International weist die Kritik schleppender Hilfe in Haiti von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel zurückgewiesen. Der Vorwurf sei nicht neu, „aber die Herausforderungen sind auch wirklich enorm“, sagte Jörg Kaiser. Im Interview mit domradio.de spricht er über die Aufbauarbeit der katholischen Kirche neun Monate nach dem verheerenden Erdbeben in dem Karibikstaat.

 (DR)

domradio.de: Entwicklungshilfeminister Niebel hat gerade erst die schleppende Haiti-Hilfe angemahnt. Sind Sie seiner Meinung?

Kaiser: Die Hilfe allgemein finde ich nicht so schleppend. Ich glaube, wo er sich besonders drauf bezog, waren die Aktivitäten des haitianischen Staates, von denen er sagte, dass sie zu wenig und zu langsam sind. Und dass deshalb die Nichtregierungsorganisationen, speziell auch die lokalen, mehr in die Pflicht genommen werden sollen. Der allgemeine Vorwurf des Langsamen wird uns nach solchen großen Katastrophen immer gemacht. Aber die Herausforderungen sind auch wirklich enorm. In Haiti vielleicht noch mehr als in anderen Gegenden.



domradio.de: Entwicklungsminister Niebel hat für eine vermehrte Zusammenarbeit mit lokalen Nicht-Regierung-Organisationen plädiert. Sein Verhältnis zu Nicht-Regierungs-Organisationen ist gewöhnlich eher distanziert. Wie kommt Niebel nun zu diesem Plädoyer?

Kaiser: Ich weiß natürlich nicht, was er sich dabei gedacht hat. Aber es ist so, das NGOs gerade in Ländern wie Haiti - mit einer auch vor dem Beben kaum handlungsfähigen Regierung -, viele staatliche Aufgaben übernehmen. Ich kann nur vermuten, dass die Äußerungen des Ministers in diese Richtung gehen.



domradio.de: Welche Hilfe braucht Haiti jetzt am Dringendsten?

Kaiser: Was uns alle bedrückt bei der Arbeit vor Ort, ist der Wiederaufbau, der so schlecht in Gang kommt. Es leben wahrscheinlich noch immer über eine Million Menschen in Zelten. Vor einigen Wochen haben die Menschen begonnen, die Zelte festzumachen, d.h., mit Türen zu versehen und sie auch sonst zu verstärken. Die Menschen gehen davon aus, dass sie lange in den Zelten bleiben. Das bedrückt, aber es gibt auch handfeste Gründe. Die Vereinten Nationen haben vor einigen Wochen eine Schätzung veröffentlicht, die sagt: Wenn man mit 1.000 LKWs arbeitet, würde es drei Jahre dauern, bis der gesamte Schutt abtransportiert ist. Und man kann erst dort wieder bauen, wo vorher Häuser standen, wenn der Schutt weg ist. Ein riesiges Hindernis! Die nächsten Hindernisse gehe vom Staat aus: Die Landfrage ist nicht geklärt, wer darf überhaupt wo bauen?



domradio.de: Wie kann denn die Caritas helfen?

Kaiser: Wir haben die das Glück und die Möglichkeit, an verschiedenen Stellen doch schon Aufbau zu betreiben. Das hängt damit zusammen, dass wir mit der Caritas in Haiti, d.h. auch der katholischen Kirche in Haiti zusammenarbeiten.



Das Gespräch führte Heike Sicconi.