Caritas sieht Offenheit für Robotik in der Pflege

"Unterstützen statt ersetzen"

Über den Einsatz von Robotern in der Pflege wird aktuell in Deutschland viel diskutiert. Es geht um technische, aber auch um juristische und ethische Fragen. Die Caritas sieht große Chancen und fordert eine gesicherte Finanzierung.

Roboter im Gesundheits- und Pflegebereich / © Andrey_Popov (shutterstock)
Roboter im Gesundheits- und Pflegebereich / © Andrey_Popov ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Forschungsprojekt hat vier Jahre lang über Chancen und Grenzen von Robotik-Systemen in der Pflege geforscht und jetzt auf einer Konferenz die Ergebnisse vorgestellt. Auch der Deutsche Caritasverband war beteiligt. Worum geht es genau?

Dr. Susanne Pauser (Vorstandsmitglied des Deutschen Caritasverbandes): Es geht darum, herauszufinden, ob sich robotische Systeme wirklich in der Pflege eignen. Eignen meint nicht nur technisch oder organisatorisch, sondern ob vor allem Menschen robotische Systeme akzeptieren und ob das auch für Einrichtungen passt.

Das ist ein großer Unterschied zur Autoindustrie. Dort hat man, beginnend in den 1970ern bis weit in die 2000er Jahre hinein, Tätigkeiten komplett ersetzt. Darum geht es bei Robotik in der Pflege nicht. Wir wollen schauen, wo robotische Systeme in die Abläufe passen - in Altenheimen, in Pflegeheimen - und wo sie unser Personal unterstützen, nicht ersetzen. 

DOMRADIO.DE: Es geht nicht nur um die Handgriffe wie Medizin anreichen oder Patienten umbetten. Das Menschliche spielt bei der Pflege eine große Rolle. Das kann ein Pflegeroboter aber nicht leisten, zumindest noch nicht. 

Dr. Susanne Pauser, Vorstandsmitglied des Deutschen Caritasverbandes

"Pflege, die unter Überlastung, Fachkräftemangel und Bürokratie leidet, muss dringend entlastet werden. Da kann Robotik helfen und wir versuchen herauszubekommen, wo und wie."

Pauser: Das ist auch nicht das Ziel, zumindest im Moment nicht. Das ist, wenn überhaupt, ganz weite Zukunftsmusik. Wir wollen vor allem Pflegende entlasten. Wir wollen schauen, welche Tätigkeiten robotische Systeme übernehmen können. Pflege, die unter Überlastung, Fachkräftemangel und Bürokratie leidet, muss dringend entlastet werden. Da kann Robotik helfen und wir versuchen herauszubekommen, wo und wie. 

Pflegeroboter für Schlaganfall-Patienten  / © Martin Schutt (dpa)
Pflegeroboter für Schlaganfall-Patienten / © Martin Schutt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wo konkret würde denn die Caritas solche Pflegeroboter einsetzen? 

Pauser: Es gibt drei Ebenen oder drei Bereiche: Zum einen klassische Assistenzsysteme, die zum Beispiel auch in Gasthäusern schon getestet werden. Das sind unterstützende Serviceroboter, die einfache Tätigkeiten abnehmen können.

Zweitens geht es um echte assistierende robotische Systeme - zum Beispiel Exoskelette für Pflegekräfte oder Roboter, die teilpflegerische Aufgaben übernehmen können. Da sind wir aber ganz am Anfang.

Dr. Susanne Pauser, Vorstandsmitglied des Deutschen Caritasverbandes

"Ist es wirklich etwas Gutes für Menschen, die gepflegt werden müssen, insbesondere für demenzkranke Patientinnen und Patienten? Wollen die mit einer Puppe sprechen, die so tut, als ob ein Mensch mit ihnen redet."

Ein dritter Punkt sind Betreuungs- und Kommunikationsroboter. Da sind wir am zurückhaltendsten. Das ist sicher auch eine Frage, die ethisch beurteilt werden kann und sollte. Wollen das Einrichtungen? Ist es wirklich etwas Gutes für Menschen, die gepflegt werden müssen, insbesondere auch für demenzkranke Patientinnen und Patienten? Wollen die mit einer Puppe sprechen, die so tut, als ob ein Mensch mit ihnen redet. 

Der humanoide Roboter Pepper  / © Julian Stratenschulte (dpa)
Der humanoide Roboter Pepper / © Julian Stratenschulte ( dpa )

DOMRADIO.DE: Da sehen Sie die ethischen Grenzen?

Pauser: Ich sehe, dass man sehr genau hinschauen muss. Da geht es um datenschutzrechtliche Fragen und auch um die Frage, was wir damit bei Menschen auslösen. Was wird vielleicht auch an Schaden erzeugt?

Ich würde es aber nicht ganz ausschließen. Ich glaube, wir sind heute am Anfang mit dem Thema Robotics in der Pflege. Wir sollten mutig vorangehen. Aber für uns sind sicherlich die beiden ersten Punkte im Moment zentral. 

DOMRADIO.DE: Es betrifft Seniorinnen und Senioren. Wie reagieren die denn auf den Einsatz von Pflege-Robotern? 

Dr. Susanne Pauser, Vorstandsmitglied des Deutschen Caritasverbandes

"Von daher sind wir auf einem langen und - glaube ich - auch auf einem guten Weg. Aber da ist noch ganz viel zu klären."

Pauser: Gut. Unterschätzen Sie Seniorinnen und Senioren nicht. Viele wollen zu Hause bleiben und dort auch unterstützt und gepflegt werden. Alle technischen Systeme, die dabei helfen, stoßen auf ein positives Echo. Wir erleben auch in unseren Einrichtungen eine hohe Neugier, eine ganz große Offenheit, sich unterstützen zu lassen. Insofern sind die Reaktionen - wenn es gut eingebettet und gut erläutert ist - sehr gut aus unserer Sicht. 

DOMRADIO.DE: Wird sich die Caritas in Zukunft für den großflächigen Einsatz entscheiden? 

Pauser: So weit sind wir noch lange nicht. Man muss ganz klar sagen, da geht es um Pilotprojekte, die wir mit begleiten und unterstützen. Das sind erste Gehversuche. Aber wir bleiben sicher an dem Thema dran.

Ein ganz großes Problem ist die Finanzierung. Krankenkassen finanzieren das nicht. Das muss ins Heil- und Hilfsmittelverzeichnis. Denn wir müssen die ganze Technik, die wir brauchen, die teuer ist, die angeschlossen werden muss und für die wir Schulungen brauchen, in irgendeiner Weise refinanzieren.

Von daher sind wir auf einem langen und guten Weg. Aber da ist noch ganz viel zu klären. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
DR