Caritas-Präsident zur Zukunft der internationalen Dachorganisation

"Einen Weg gefunden"

Es hatte erhebliche Spannungen gegeben zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Internationalen Hilfswerk Caritas Internationalis. Ein Grund: Der Vatikan hatte der bisherigen Generalsekretärin eine zweite Amtszeit verwehrt. Über mögliche Auswege aus der Krise berichtet im domradio.de-Interview der deutsche Caritas-Präsident Peter Neher.

 (DR)

domradio.de: Herr Neher, Sie sind weitere vier Jahre in das Komitee des Dachverbandes gewählt worden und Sie hatten im Vorfeld der Generalversammlung Sorge, dass die Caritas sich vor einer Reklerikalisierung befände. Welches Fazit ziehen Sie jetzt nach der Generalversammlung? --
Peter Neher: Ich denke, insgesamt waren das sehr wertvolle Debatten, die zum einen die Inhalte angingen, also die Schwerpunktsetzung der nächsten vier Jahre, Kampf gegen Armut, Verbesserung der internen Strukturen zur Bekämpfung von Krisensituationen, und auf der anderen Seite natürlich die Debatte um die Verweigerung des Nihil obstat für die amtierende Generalsekretärin, was zu erheblichen Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Caritas insgesamt geführt hat.--


domradio.de: Die Generalsekretärin Knight war ja auf Wunsch des Vatikans nicht zu erneuten Wahlen angetreten. Welche Bedeutung hat das für Caritas Internationalis?--
Neher: Das war ein sehr intensive Beeinträchtigung, weil Frau Knight die letzten Jahre eine hervorragende Arbeit geleistet hat, was die Professionalisierung der Abstimmungen anging und was die theologische Ausrichtung anging. Und, wie das ja häufig bei solchen Verweigerungen des Nihil obstat der Fall ist, erfolgte dies ohne Angabe von Gründen. Das war eine schwierige Phase, aber durch intensive Gespräche auch in Rom mit Vertretern aus dem Staatssekretariat von Cor Unum konnte jetzt wohl doch ein Weg in die Zukunft gefunden werden. --


domradio.de: Wie soll der aussehen? Caritas will die Armut weltweit auf Null senken, das ist ein hohes Ziel angesichts dessen, dass schon die Millenniumsziele gescheitert sind, wie man leider sagen muss. Was sind jetzt die wichtigen Weichen, die Caritas Internationalis gestellt hat?  --
Neher: Grundsätzlich wissen wir ja von Jesu Wort, dass es immer Arme unter uns geben wird. Und gleichzeitig ist es ein Ziel, eine Vision. Gerade wir reichen Länder müssen daran erinnert werden, dass im Kampf gegen Armut alles einzusetzen ist. Die entscheidenden Weichenstellungen für die nationalen Verbände und Caritas-Organisationen sind nun von den Themen her, tatsächlich weltweit zu schauen, was ist im jeweils eigenen Land und Umfeld an Anstrengungen zu unternehmen, um Armut zu bekämpfen. Das schaut natürlich in Deutschland anders aus als bei der Caritas in Bangladesch. Und auf der anderen Seite: Wie müssen unsere internen Strukturen gestaltet sein, damit die vielen karitativen Hilfsorganisationen sich im Ernstfall tatsächlich gegenseitig unterstützen und die jeweils vorhanden Kräfte bündeln, damit sie in der Not und in der Katastrophe wirksam agieren können?--


domradio.de: Wie kann die Caritas das denn auch weiterhin noch gewährleisten? Also ihren Beitrag zu leisten, gerade dort, wo es um den Kampf gegen die Armut geht, jetzt, da sich in vielen Ländern die Lage für die Hilfswerke oft sehr verschlechtert? --
Neher: Das kann man natürlich nur grob umreißen: Das was in Rom als Generallinie beschlossen wird, das kann ja nur eine sehr abstrakte Gesamtleitlinie sein. Das Entscheidende ist tatsächlich, was in den einzelnen Ländern geschieht. Und ich denke, es ist klar, dass der Kampf gegen die Armut in Deutschland anders ausschaut als bei einer kleinen Caritas wie in Japan, die allein durch die Not im Inland jetzt unheimlich gefordert ist. Also das kann nur jedes Land und jede Caritas-Organisation mit der Kirche zusammen im eigenen Land umsetzen und in die Wege leiten.

domradio.de: Der Dachverband der Caritas Internationalis ist ja Bestandteil der katholischen Kirche, aber Sie helfen allen Menschen, ganz gleich welcher Herkunft und Religion. Worauf sind Sie besonders stolz in den 60 Jahren Ihres Bestehens?--
Neher: Was einen schon besonders stolz machen darf, ist die ganze enge Verknüpfung unter den einzelnen karitativen kirchlichen Organisationen über sechs Jahrzehnte hinweg, und dass es uns gelingt, auch bei so furchtbaren Katastrophen wie beim Tsunami 2004 oder bei der Flut in Pakistan oder dem Erdbeben auf Haiti unsere Kräfte wirklich zu bündeln, und dass nicht jeder einzeln dorthin marschiert, sondern dass wir vor Ort das, was zu leisten ist, miteinander abstimmen, damit es den Hilfsbedürftigen zugute kommt. Das ist ein enormer Fortschritt innerhalb der letzten Jahrzehnte gewesen.