Caritas: Politik vernachlässigt Gesundheitswesen und Pflege

"Teilhabe ist möglich"

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, hat der Politik vorgeworfen, die gerechte Gestaltung des Gesundheitssystems und der Pflege zu vernachlässigen. Bis Samstag nehmen rund 600 Vertreter aus Kirche, Politik und Wissenschaft in Berlin am diesjährigen Caritaskongress teil.

 (DR)

"Mit großer Besorgnis nehme ich wahr, dass diese Fragen von der Politik derzeit nicht adäquat angegangen werden", sagte Neher.
Menschen, die von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe lebten, sowie ältere und kranke Menschen würden schnell zu «Opfern einer schleichenden Rationierung im Gesundheitswesen».

Unter der Überschrift «Teilhabe ist möglich» behandelt der Kongress die Frage, unter welchen Bedingungen die selbstbestimmte Teilhabe der Bürger in Deutschland erreicht werden kann. «Selbstbestimmte Teilhabe gründet in der Würde jedes Menschen und ist eine entscheidende Bedingung für gesellschaftliche Inklusion», so Neher. Doch wachse die Zahl der Menschen, die aufgrund von Armut, Arbeitslosigkeit oder mangelnder Bildung von vielen Angeboten des sozialen Lebens ausgeschlossen seien. Alle Bürger müssten Zugang zu den sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten einer Gesellschaft haben und darüber selbst entscheiden können, forderte Neher.

Zollitsch: Pflege mehr wertschätzen
Eine größere gesellschaftliche Wertschätzung der Pflege hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, gefordert. Das gelte für die professionelle wie die familiäre Pflege, sagte Zollitsch. Zollitsch sprach sich dabei für ein «differenziertes und geweitetes Altersbild» aus, «das einerseits die Potenziale einer alternden Gesellschaft unterstreicht und andererseits um die Verletzlichkeit und Endlichkeit des Lebens weiß». Der Empfang fand im Rahmen des 2. Caritaskongresses statt, der unter dem Thema «Teilhabe ist möglich» steht.

Zollitsch betonte, dass gesellschaftliche Teilhabe ein Menschenrecht sei, das gerade auch für benachteiligte Menschen gelte. Dabei verwies er auf die «aktuellen Sozialdebatten um Hartz IV, in der Gesundheitspolitik oder in der Migrationspolitik». Benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen solle vor allem Bildungsgerechtigkeit und ein soziokulturelles Existenzminimum ermöglicht werden, so der Erzbischof. Die Mitarbeiter des Caritasverbandes würdigte Zollitsch als «Dolmetscher des Evangeliums mitten im Alltag» und «Botschafter der Liebe Gottes mitten an den Brennpunkten des Lebens».

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) dankte der Caritas für ihre Arbeit. Sie machte in einer modernen Gesellschaft eine Zuwendung möglich und organisierte diese in verlässlicher Weise. Lammert zitierte auch die Sozialenzyklika «Caritas in veritate» («Die Liebe in der Wahrheit») von Papst Benedikt XVI. und hob dabei das Subsidiaritätsprinzip hervor. An dem Caritasempfang nahmen auch der Vatikanbotschafter in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, und der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky teil.