Caritas-Mitarbeiter kritisiert die Sozialreform der Regierung

"Totalverweigerer bleiben Totalverweigerer"

Mit der neuen Sozialreform der Bundesregierung gibt es schärfere Sanktionen für unkooperative Arbeitslose. Der Direktor des Diözesan-Caritasverbandes in Münster, Dominique Hopfenzitz, hält das nicht für zielführend.

Arbeitslosigkeit (dpa)
Arbeitslosigkeit / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die einen arbeiten viel und verdienen wenig, andere bleiben zuhause und bekommen einfach Geld vom Staat. Hat die Regierung hier den richtigen Schritt getan, um diese Ungleichheit zu beheben? 

Dominique Hopfenzitz (Direktor Caritasverbandes der Diözese Münster und Sprecher im Bereich Soziale Sicherung bei der Caritas in NRW): Ich glaube nicht, dass diese neue Reform des Sozialgesetzbuch II dazu führen wird, dass erheblich mehr Menschen in Arbeit kommen werden, mehr Menschen in ein sozialversicherungspflichtiges, erwerbstätiges Geschäft reinkommen. Dass wir diese kleine Gruppe, die der Staat und viele große Medien, einige Parteien und Politiker immer wieder als "Faulenzer" bezeichnen, dadurch in Arbeit bekommen, glaube ich nicht. 

Man muss einfach nüchtern auf die Zahlen gucken und sagen, dass von diesen 5,3 Millionen bürgergeldempfangenden Menschen schon ein Viertel Kinder sind. Viele von diesen 5,3 Millionen Menschen sind Aufstocker, das heißt, sie sind in Arbeit, können aber nicht 100 Prozent arbeiten, weil sie zum Beispiel pflegebedürftige Angehörige sind oder Kinder haben, die keine verlässliche Kita-Betreuung haben. 

Dann bleiben da am Schluss tatsächlich ganz wenige Menschen übrig, von denen man sagen muss, dass man die vielleicht in Arbeit kriegt, aber Geduld und Arbeitsmarkt-Integrationsmaßnahmen braucht. 

Die Regierungen der letzten Jahre haben sich nicht dadurch ausgezeichnet, Geduld zu haben, um diese Menschen in Arbeit zu bringen. Das ist erst mal eine Investition und wird nicht heute irgendwo auf dem Arbeitsmarkt Wirkung erzielen. 

Das zeigen die Zahlen, wenn man auf den Gesetzentwurf guckt. Die einige Milliarden Euro, die man sich einzusparen erhofft hat, sind auf unter 100 Millionen Euro geschrumpft. Wir glauben, dass die zusätzliche Bürokratie, die das in den Jobcentern auslösen wird, noch mal einiges an Millionen auffressen wird, sodass wir hier nicht von einem großen Wurf ausgehen müssen. 

DOMRADIO.DE: Es gibt Bürgergeldempfänger, die selten aktiv nach Jobs suchen. Das sind nicht wenige, wie kürzlich eine Studie des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung belegt hat. Könnte da nicht der Druck durch schärfere Sanktionen helfen, die Menschen in Arbeit zu bringen, zu motivieren oder, wie die SPD sagt, zu fördern und zu fordern? 

Hopfenzitz: Fordern und Fördern ist kein schlechter Grundsatz, aber das Fordern muss insgesamt natürlich passgenau für den Menschen sein. Diese Sanktionen gibt es schon seit Jahrzehnten. Es gibt auch schon lange Möglichkeiten, Totalverweigerer zu sanktionieren. Das gab es auch früher schon unter Hartz IV. Jetzt will man plötzlich ein neues Mittel erfunden haben, um Sanktionen auszulösen. 

Wenn Sie mal auf die Sanktionen gucken und schauen, welche multiplen Probleme dahinterstehen, dann wird klar: Wenn man keinen Kontakt zum Jobcenter hält, bekommt man nicht nur erstmal 30 Prozent von seinem Bürgergeld gestrichen. Wenn man vielmehr auf die weiteren Bereiche draufguckt, werden auch Wohngeld und Heizungsgelder gestrichen. 

Dominique Hopfenzitz

"Sie werden zukünftig viel weniger Menschen, die im Bürgergeldbezug sind, in den Wohnraum reinkriegen."

Das löst auf dem Markt was aus, das löst was zwischen Vermieter und Mieter aus. Sie werden zukünftig viel weniger Menschen, die im Bürgergeldbezug sind, in den Wohnraum reinkriegen. Wir haben schon viele Wohnungslose in Nordrhein-Westfalen, wir haben über 125.000 wohnungslose Menschen in NRW und hier wollen sie das sozusagen noch dadurch fördern, dass man Wohngeld und Heizkosten streicht. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Sanktionen für die wenigen unter ein Prozent liegenden Menschen, für die das eigentlich gedacht ist, funktionieren werden. 

Dominique Hopfenzitz

"Denn die Menschen, die tatsächlich als sogenannte Totalverweigerer gelten, die bleiben aus bestimmten Gründen Totalverweigerer".

Denn die Menschen, die tatsächlich als sogenannte Totalverweigerer gelten, die bleiben aus bestimmten Gründen Totalverweigerer, die werden sie nicht dazu bekommen, mit Sanktionen plötzlich in Lohn und Brot zu kommen. 

Das Interview führte Elena Hong.

Neue Grundsicherung bringt Härten für Arbeitslose

Es ist das Ende des Bürgergelds in heutiger Form: Das Bundeskabinett hat mit einem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) das neue Grundsicherungsgeld beschlossen. Auf die 5,3 Millionen Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld kommen verschärfte Regeln zu.

Volles Wartezimmer bei der Arbeitsagentur / © Jan Woitas (dpa)
Volles Wartezimmer bei der Arbeitsagentur / © Jan Woitas ( dpa )
Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!