Caritas International hilft Flüchtlingen in Serbien

"Jeder Flüchtling ist ein bewegendes Einzelschicksal"

Über die Balkanroute drängen immer mehr Flüchtlinge nach Westeuropa. Die Menschen stammen vor allem aus Syrien und haben Westeuropa als Ziel. Ihr Schicksal bewegt auch Stefan Teplan, der mit Caritas International in Serbien hilft.  

Flüchtlinge in Belgrad / © B. Babic (dpa)
Flüchtlinge in Belgrad / © B. Babic ( dpa )

domradio.de: Was bekommen Sie von den vielen Flüchtlingen mit, die zur Zeit durch Serbien ziehen?

Stefan Teplan, Caritas International: Ich habe in den letzten Tagen sehr, sehr erschütternde Bilder mitbekommen. Hier sind in der Hauptstadt Belgrad und an der Grenze zu Ungarn, wo ich gestern war, tausende von Menschen, und jedes einzelne Schicksal geht einem unter die Haut. Ich habe mit sehr vielen dieser Menschen gesprochen, sie sind völlig ausgelaugt, am Ende ihrer Kräfte und hoffen alle auf ein besseres Leben in Deutschland, denn der größte Teil von ihnen will nach Deutschland reisen.

domradio.de: Die Bilder, die wir von der serbisch-ungarischen Grenze sehen, sind sehr dramatisch, im Fernsehen natürlich auch immer etwas zugespitzt. Wie sieht die Situation tatsächlich aus?

Teplan: Da Ungarn bekanntlich eine immer restriktivere Politik fährt und diesen Grenzzaun errichtet hat, haben sehr viele der Flüchtlinge Angst. Sie haben das über die Medien mitbekommen, haben aber derzeit keine Alternativroute, nach Österreich oder Deutschland zu kommen. Ich wurde von sehr vielen Menschen angesprochen: Warum sind die Ungarn so; Was erwartet uns; Werden wir dort möglicherweise ins Gefängnis geworfen? In Ungarn gilt ein neues Gesetz, nach dem ein illegaler Grenzübertritt nun ja auch als Straftat gilt. Die Menschen sind sehr, sehr verunsichert, haben aber auch enorm viele Strapazen und Unsicherheit bereits vorher auf sich genommen und gehen jetzt noch eine weitere Etappe der Unsicherheit an. Es herrscht Angst und Unsicherheit.

"Serbien reagiert sehr freundlich auf Flüchtlinge"

domradio.de: Sie haben eben gesagt, Sie haben viele bewegende Geschichten erlebt. Können Sie sich an eine bestimmte erinnern?

Teplan: Ich sprach gestern mit einer Familie aus Syrien mit vier kleinen Kinder, die alles verloren haben. Ihr Haus wurde in Syrien bombardiert, dann haben sie zunächst in einem Zelt außerhalb der Stadt geweilt. Das war kein Leben, auch dort waren sie ständig Terror und Gefahren ausgesetzt. Sie haben sich dann Geld geliehen, der Mann ist nur ein einfacher Bauarbeiter und hatte kein großes Einkommen, um dann eine abenteuerliche Flucht über Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien zu riskieren. Wobei sie von Schleusern in einem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland übergesetzt sind und der Vater neben dem Boot herschwimmen musste, weil für ihn kein Platz mehr auf dem Boot war. Das ist eine unglaubliche Geschichte. Die Kinder haben mit Tränen in den Augen davon erzählt. Jetzt hoffen alle, dass sie irgendwann ein besseres Leben haben werden. Aber das ist nur ein Beispiel von hunderttausenden, die es gibt. Jeder einzelne dieser Flüchtlinge ist ein bewegendes Einzelschicksal.

domradio.de: Wie reagiert denn Serbien auf diese vielen Flüchtlinge?

Teplan: Serbien reagiert sehr freundlich und offen, hat ein sehr gutes Image, und das spricht sich unter den Flüchtlingen auch herum. Man muss sagen, die Flüchtlinge sind untereinander ganz gut vernetzt über Smartphones. Das beste Image haben tatsächlich vor allem die Deutschen, Österreicher und Serben. Sie haben gesagt, in Serbien werden wir das erste Mal richtig auch als Menschen und human behandelt. In anderen Ländern, teilweise in Bulgarien, haben mir Flüchtlinge berichtet, wurden einige von der Polizei zusammengeschlagen, sie wurden auch in der Türkei nicht überall sehr freundlich behandelt. Serbien hat sie mit offenen Armen aufgenommen. Die Caritas in Serbien leistet so viele soziale Dienste, dass sie gut versorgt sind, mit Decken, mit Regenkleidung, mit Hygieneartikeln, auch Windeln für die Kinder, neben Lebensmitteln und Trinkwasser, so dass sie dort erstmals wieder etwas menschliche Wärme verspüren. Auch der serbische Staat tut sehr viel und ist gerade dabei, zwei neue Flüchtlingsaufnahmezentren zu bauen, im Hinblick auf den bevorstehenden Winter.

domradio.de: Es kommen immer mehr Flüchtlinge nach Serbien, 5.500 wurden alleine gestern dort registriert. Wie nehmen das die Serben auf?

Teplan: Die Serben sind dafür gerüstet, ebenso wie auch Deutschland für einen noch größeren Ansturm gerüstet ist. Sie haben sich darauf eingestellt und ich habe den Eindruck, sowohl von staatlicher Seite wie von der Caritas, mit der ich hier zusammen arbeite, dass man hier den Ansturm sehr gut bewältigen kann und wirklich alle Maßnahmen getroffen hat, um die Flüchtlinge sehr gut zu versorgen.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR