Caritas engagiert sich gegen Einsamkeit in der Gesellschaft

"Angebote an ältere Menschen anpassen"

Wie kann man Menschen aus der Einsamkeit herausholen? Damit beschäftigt sich die Soziologin Irina Gaul vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln. Sie beobachtet, dass sowohl junge wie auch ältere Menschen betroffen sind.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Symbolbild Seniorin mit einem Smartphone / © Iryna Imago (shutterstock)
Symbolbild Seniorin mit einem Smartphone / © Iryna Imago ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Einsamkeit tut oft weh. Denn Betroffene können sich einsam und verlassen fühlen. Einsamkeit kann aber auch für unsere Demokratie richtig gefährlich werden. Das zeigt eine aktuelle Studie, die die Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben hat. Laut ihr sind vor allem einsame, junge Menschen anfällig für Populismus und Verschwörungstheorien. Was ist denn der Unterschied dazwischen, sich einsam zu fühlen und alleine zu sein?

Irina Gaul  (Diözesan-Caritasverband Erzbistum Köln)

Irina Gaul (Referentin beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln): Das Alleinsein kann ich selbst steuern und auch bewusst wählen. Das Gefühl von Einsamkeit ist hingegen kein selbstgewählter Zustand. Er führt dazu, dass ich Schmerz und auch Scham empfinde.

DOMRADIO.DE: Von den 16- bis 30-Jährigen fühlen sich 46 Prozent einsam. Was steckt dahinter? Sind das etwa noch Spätfolgen der Corona-Pandemie?

Gaul: Das kann man nicht so eindeutig sagen. Denn bei den jungen Menschen zwischen 16 und 30 Jahren entwickelt sich viel. Man kann schon davon ausgehen, dass es Nachwirkungen der Corona-Pandemie sind. Dass sich so viele einsam fühlen, hängt aber bestimmt auch mit dem Leistungsdruck in der Gesellschaft zusammen. Auch die finanzielle Situation beeinflusst, inwieweit junge Menschen teilhaben können. Hinzu kommen Umbrüche im Leben. Junge Menschen wechseln vielleicht die Schule, fangen eine Ausbildung an oder ziehen zum Studieren in eine neue Stadt, wo sie eben keine Netzwerke haben.

Irene Gaul

"Wir merken, dass Alterseinsamkeit zunimmt."

DOMRADIO.DE: Wie kann man junge Menschen denn aus der Einsamkeit herausholen? 

Gaul: Auch das kann man nicht pauschal beantworten, denn jeder Mensch ist anders. Wichtig ist, dass wir niedrigschwellige Angebote haben. Junge Menschen erreichen wir über andere Kanäle als ältere Menschen, und zwar eher über digitale Kanäle. So bieten wir als Caritas zum Beispiel eine Chatberatung an. Wichtig ist, dass wir gerade den jüngeren Menschen das Gefühl von Anerkennung und Zugehörigkeit geben und dass sie mitwirken können.

DOMRADIO.DE: Einsamkeit ist aber auch im Alter schlimm. Was macht Alterseinsamkeit aus? 

Gaul: Wir merken, dass Alterseinsamkeit zunimmt. Das ist kein neues Thema. Aber es ist weiterhin so, dass Einsamkeit vor allem ältere Frauen betrifft. Das hat mit ihren Lebensphasen zu tun. So waren sie in der Regel nicht – wie Männer – durchgängig berufstätig. Ihre Renten sind niedriger und somit haben sie weniger finanzielle Möglichkeiten. 

Aber auch bei Männern sehen wir, dass sie sich erst wieder einfügen müssen und neue Netzwerke und Begegnungen brauchen, wenn sie in Rente gehen. Denn mit der Rente verlieren Menschen ihre beruflichen Rollen, Kontakte und Beteiligung. Eine große Rolle spielt aber auch die Gesundheit. Wenn meine Gesundheit und meine Mobilität eingeschränkt sind, kann ich nicht mehr so teilhaben wie in den Jahren davor.

DOMRADIO.DE: Wie hilft die Caritas solchen einsamen Seniorinnen und Senioren? 

Gaul: Da gibt es schon seit Jahrzehnten ganz viele verschiedene Angebote. Die müssen sich aber jetzt an die älteren Menschen anpassen. Zu den Angeboten zählen Begegnungsstätten und Bildungsangebote, wo sich Menschen treffen können. Es gibt aber auch Bewegungsangebote, wie Wandergruppen. 

Wir unterstützen Seniorennetzwerke, wo sich Menschen, die in Rente sind, über ihre Interessen austauschen können. Freiwilliges Engagement ist uns ganz wichtig, weshalb wir ehrenamtliche Tätigkeiten fördern, sowohl für ältere als auch für jüngere Menschen. Die können sich zum Beispiel bei der "Young Caritas" oder beim Mentoringprogramm "Balu und Du" engagieren.

Irene Gaul

"Menschen, die sich abgehängt fühlen, nicht gesehen oder gehört fühlen, verlieren das Vertrauen in die Gesellschaft und in die Politik."

DOMRADIO.DE: Einsamkeit betrifft aber nicht nur einzelne Menschen, sondern auch unsere ganze Gesellschaft. Inwiefern ist das so? 

Gaul: Einsamkeit betrifft uns als Gesellschaft, weil sie sich auf demokratiefeindliche Strukturen auswirkt. Denn Menschen, die sich abgehängt fühlen, nicht gesehen oder gehört fühlen, verlieren das Vertrauen in die Gesellschaft und in die Politik. Das ist eine Tendenz, die wir gerade alle wahrnehmen, und ihre Ursache liegt auch darin, dass Menschen einsam sind.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR

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