Caritas-Bischof Rainer Maria Woelki im Interview

"Aus dem Geist des Evangeliums heraus arbeiten"

Die katholischen Bischöfe haben bei ihrer Herbstvollversammlung wichtige Personalentscheidungen getroffen und einige ihrer Kommissionen neu besetzt. Zum neuen Caritas-Bischof ist der im Juli ernannte Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki gewählt worden.

 (DR)

domradio.de: War Ihre Wahl zum Vorsitzenden der Kommission für caritative Fragen für Sie überraschend, Herr Erzbischof Woelki?

Erzbischof Woelki: Ein wenig schon. Es war zwar schon im Vorfeld darüber nachgedacht worden, ob ich eventuell diese Kommission übernehmen könnte. Es ist üblich, dass jeder der Diözesanbischöfe eine Kommission innerhalb der Bischofskonferenz leitet und vor dem Hintergrund der Berliner Verhältnisse bietet sich das eigentlich ganz gut an, dass ich diese Caritaskommission übernehme.



domradio.de: Warum liegt Ihnen dieses Anliegen gerade besonders am Herzen?

Woelki: Weil ich in den ersten Wochen in Berlin festgestellt habe, dass gerade in dieser Stadt die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht: Wir haben gerade jetzt in Berlin Mitte neue Wohnsituationen, wo der Quadratmeter 14.000 EUR kostet, wo sehr schöne Häuser angeboten werden, in der Nähe der Friedrichstraße gibt es Eigentumswohnungen zum Quadratmeterpreis von immer noch 10.000 EUR, und daneben gibt es natürlich die Wohnviertel, in denen Menschen sich sozusagen gar keine Wohnung leisten können. Vor einigen Wochen war ich in Neukölln, in der Harzer Straße, dort hat jetzt die Aachener Wohnungsbaugesellschaft, eine katholische Gesellschaft, einen Gebäudekomplex aufgekauft, in dem unter menschenunwürdigen Verhältnissen Roma untergebracht sind, die von einem Miethai ausgenommen wurden und bei denen wir jetzt gerade als katholische Kirche ein Pilotprojekt starten, um diese Menschen aus dieser Not und Armut herauszuholen.



domradio.de: Jetzt ist das alles noch ganz frisch. Haben Sie trotzdem schon einmal überlegt, wo Sie in den nächsten Jahren ganz bewusst einen Schwerpunkt setzen müssen? In der Gesellschaft ist es ist ja immer wieder wichtig, gerade für diejenigen die Stimme zu erheben, die am Rande stehen, die arm sind, die nicht am normalen gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Woelki: Ich denke, dass ist eine ganz wichtige Aufgabe seitens der Kirche. Die Caritas ist eine Wesensäußerung des Evangeliums, eine Wesensäußerung der Kirche. Ohne Caritas ist die Kirche amputiert, ist es nicht das Evangelium Jesu Christi. Also insofern müssen wir da sehr präzise präsent sein und uns auch zu den entsprechenden Dingen äußern. Ich glaube, dass angesichts einer Überalterung der Gesellschaft Pflege ein sehr wichtiges Thema ist, ebenso die Schere zwischen Arm und Reich - da haben wir mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit die Stimme zu erheben. Weiterhin werden wir uns mit Blick auf die Chancengleichheit auch in der Bildung und bei der Partizipation an der Arbeit usw. sehr deutlich und pointiert äußern müssen.



domradio.de: Kirche ist selbst gerade im Bereich der Caritas größter Arbeitgeber, kommt der Kirche da eine besondere Verantwortung zu?

Woelki: Ich denke, das ist für uns eine sehr wichtige Verantwortung dahingehend, wie wir a) mit unseren Mitarbeitern umgehen. Auf der anderen Seite müssen wir sehr deutlich machen, was wir von unseren Mitarbeitern erwarten, dass wir ein kirchliches Unternehmen sind und dass natürlich auch eine entsprechende Fundierung gegeben sein muss, eine Fundierung, die sich am Evangelium ausrichtet, und dass eben unsere karitative Arbeit sich auch sehr bewusst von anderen Anbietern auf diesem sozialen Sektor unterscheidet, eben dahingehend, dass wir aus dem Geist des Evangeliums heraus arbeiten.



domradio.de: Das ist auch dem Heiligen Vater sehr wichtig. Er hat das jetzt bei seinem Deutschlandbesuch noch einmal in der Freiburger Rede, jedoch auch in seiner Enzyklika Deus Caritas deutlich gemacht. Was denken Sie ist da das ganz besondere Anliegen, das es immer wieder gilt, im Blick zu behalten?

Woelki: Also im Blick zu behalten ist, dass Christus die Person gewordene Caritas des Vaters, Gottes ist. Und dass wir mit unserem karitativen Tun sozusagen der verlängerte Arm des Herrn sind. Und der Papst - so mein Eindruck - möchte gerade auch der karitativen Arbeit eine geistliche Dimension, eine geistige Tiefe geben, also dass es nicht einfach nur ein Tun ist, ein humanes Tun natürlich, aber das auch die Verankerung in unserem Christus-Glauben gegeben ist.