BWV 110

Bachkantate am 25. Dezember 2007

Die Kantate für den heutigen 1. Weihnachtstag entstammt Bachs drittem Leipziger Kantatenjahrgang und trägt den Titel "Unser Mund sei voll Lachens". Bach musste ja für jeden Sonn- und Feiertag in Leipzig eine eigene Kantate schreiben, die heutige war für den 1. Weihnachtstag 1725 bestimmt.

 (DR)

Der Inhalt des Textes ist ein Lobpreis Gottes für seine Erlösungstat. Ganz verzichtet wird auf speziell weihnachtliche Anspielungen. Lange Zeit vermutete man, dass Bach deswegen darauf verzichtet, weil er auf politische Tagesereignisse eingehen wolle und die Kantate mit der für Sachsen glücklichen Wendung des Polnischen Erbfolgekrieges 1734 in Zusammenhang bringen wollte. Aber es wäre Bach wohl kaum in den Sinn gekommen, militärische Siege im Weihnachtsgottesdienst zu feiern. Und tatsächlich weiß man mittlerweile, dass das Werk in der Tat nicht erst 1731, sondern bereits schon 1725 komponiert worden ist.

Der Eingangssatz lehnt sich an den 126. Psalm an, in dem es heißt: „Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel. Da sagte man unter den anderen Völkern: Der Herr hat an ihnen Großes getan". Besonders deutlich hörbar setzt Bach das „Lachen" in Musik um.

Die darauffolgende Arie sieht den Anlass zur Freude in der Tat Gottes, der am heutigen 1. Weihnachtstag gedacht wird.  Musikalisch steht diese Arie in wirksamem Kontrast zur Prachtentwicklung des Eingangssatzes. Statt Trompeten, Oboen und Streichern setzt Bach jetzt neben dem Continuo nur zwei Querflöten ein, um so einen Hinweis auf die „niedrige Geburt" des Gottessohnes zu geben.

Im folgenden Rezitativ, das nur 5 Takte umfasst, dafür aber sehr ausdrucksvoll gestaltet ist, greift Bach wieder auf ein Bibelwort zurück: Nämlich auf einen Vers des Propheten Jeremia, in dem die Größe des Herrn gepriesen wird.  

Der Größe des Herrn wird in der jetzt folgenden Arie die Niedrigkeit des Menschen entgegengestellt und zwar gleichfalls in Anlehnung an ein Bibelwort: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?"

Und auch der fünfte Satz ist es Bibelwort. Dieses Mal allerdings nicht als Choralsatz oder Rezitativ vertont, sondern als continuobegleitetes Duett. Dieses Bibelwort entstammt der Weihnachtsgeschichte und enthält das Lob der Engel: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade".   
Der Musik liegt das „Virga Jesse floruit" aus dem Magnificat zugrunde. Und obwohl Bach hier die Musik auf einen neuen Text erklingen lässt, bleibt der lyrische Grundcharakter doch erhalten.  


Waren in den bisherigen Sätzen eher stillere Töne angeschlagen worden, so fordert die jetzt folgende dritte Arie umso energischer die christliche Gemeinde auf, ihrerseits gleichfalls Freudenlieder zu singen: „Wacht auf, ihr Adern und ihr Glieder, und singt dergleichen Freudenlieder" heißt es im Text. Trompeten, Oboen und Streicher kommen zum Einsatz, dynamische Schattierungen werden durch Pausieren oder Hinzutreten des Oboenchores erreicht. Die Dreiklangsfigur der Trompete, sowie die virtuosen Trompetenpassagen lassen die Arie als Gegenstück zum Eingangschor erscheinen.

Dieser Aufforderung der Arie kommt der Chor jetzt stellvertretend für die Gemeinde im Schlusschoral der Kantate nach: Sie singt Freudenlieder angesichts der Geburt des Herrn. Und so lässt Bach mit einem schlichten vierstimmigen Choral seine Kantate enden.

„Unser Mund sei voll Lachens", BWV 110.
Tölzer Knabenchor, Concentus musicus Wien, Leitung: Nikolaus Harnoncourt.


Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995.