Bundesweite Aktionswochen gegen Antisemitismus gestartet

Kritik an Linken-Abgeordneten

Nach der Verabschiedung der Antisemitismus-Erklärung des Bundestags ist erneut Streit zwischen den Fraktionen ausgebrochen. Union und Grüne kritisierten am Mittwoch in Berlin elf Abgeordnete der Linksfraktion, die an der Abstimmung am Dienstag nicht teilnahmen und sich in einer persönlichen Erklärung von dem Antrag distanzierten.

 (DR)

Zum 70. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 hatte der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen den Antrag beschlossen.
Darin verpflichtet sich das Parlament, jeder Form des Judenhasses und des Antisemitismus schon im Entstehen entschlossen zu begegnen. Weil sich die Union geweigert hatte, einen gemeinsamen Antrag mit der Linksfraktion zu beschließen, hatte die Linke einen eigenen, aber wortgleichen Antrag eingebracht.

In der Erklärung der elf Abgeordneten wird der Text als schlechter Kompromiss bezeichnet, "die Umstände seines Zustandekommens sind skandalös". Das Anliegen sei zwar richtig und notwendig, die Unionsfraktion habe aber den Antrag zu einer Wahlkampfveranstaltung degradiert. Zudem stoßen sich die Abgeordneten an einer Textpassage zu Israel. Damit werde Kritik an der "Kriegspolitik" der USA und Israels als antisemitisch diskreditiert. Jegliche Kritik an der israelischen Politik werde als illegitim erklärt, so die Abgeordneten.

Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke, die migrationspolitische Sprecherin Sevim Dagdelen und der außenpolitische Sprecher Norman Paech.

Die Rechtsextremismus-Expertin der Unionsfraktion, Kristina Köhler (CDU), warf den Abgeordneten vor, Vorurteile "antiimperialistischer Israelkritiker" zu pflegen und "nicht einmal ihre Solidarität mit Israel ausdrücken" zu können. Die CDU/CSU-Fraktion fühle sich daher in ihrem Handeln bestätigt, die Linke nicht in den Antrag einzubinden.

"Die Erklärung empört uns"
Auch von den Grünen kam Kritik. "Die Erklärung empört uns", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Die Führung der Linkspartei müsse sich mit diesen "unscharfen Tönen zum Antizionismus" aus den eigenen Reihen auseinandersetzen. Der Bundestagsbeschluss lasse sehr wohl Kritik an der israelischen Politik zu. Allerdings müssten alle demokratischen Kräfte in Deutschland gegen überzogene Israel-Kritik vorgehen, sagte Beck.

Das American Jewish Committee begrüßte die Antisemitismus-Erklärung des Bundestags. Die Resolution sei ein Meilenstein im Kampf gegen Antisemitismus, sagte die Berliner Vertreterin der jüdischen Organisation, Deidre Berger. Bemerkenswert sei die eindeutige Verurteilung aller Formen des Antisemitismus, angefangen vom radikalen Antizionismus über Antiamerikanismus bis zu antisemitischer Propaganda in der arabischen und islamischen Welt.

Die reale Bedrohung Antisemitismus
Antisemitismus ist nach Einschätzung des Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, in Deutschland weiter eine reale Bedrohung. "Durchschnittlich vier antisemitische Straftaten pro Tag und fünf entsprechende Gewaltdelikte pro Monat im Jahr 2007 belegen ein ernstzunehmendes Problem", sagte Ziercke in Berlin zum Auftakt von bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus. Auf dem Programm stehen an 150 Orten um den 9. November herum über 400 Veranstaltungen. Koordiniert wird die Reihe von der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung.

Nach Angaben Zierckes wurden zwischen Januar und September dieses Jahres mit 15.280 rechtsextremen Straftaten bereits 8,9 Prozent mehr Delikte erfasst als 2007. Den Anstieg der Vorfälle führt Ziercke auf einen geänderten Erfassungsmodus der Delikte und auf ein gesteigertes Selbstbewusstsein der Rechtsradikalen zurück.

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, verwies auf das Problem des "linken Antisemitismus", der sich besonders in antizionistischen und israelfeindlichen Haltungen äußere. Um Antisemitismus wirksam zu bekämpfen, seien keine weiteren Gremien und Berichte nötig, sondern "Handlung und Aktion auf der Straße".