Bundesweit erste christlich-jüdische Kita startet in Osnabrück

"Konkrete Friedensarbeit"

Am Anfang steht noch ein Provisorium. Acht beigefarbene Container beherbergen ab Montag in Osnabrück die jüdische Kindertagesstätte "König David". Das Besondere: Die flexiblen Raummodule sind in direkter Nachbarschaft der katholischen Kirche Sankt Barbara und ihrem Kindergarten.

Autor/in:
Stefan Buchholz
 (DR)

Aus der Nähe soll sich mit der Zeit ein religionspädagogischer Austausch entwickeln. Es wird die erste jüdisch-christliche Kindertagesstätte (Kita) bundesweit. Dabei kooperieren das Bistum und die Jüdische Gemeinde sowie die katholische Domgemeinde Sankt Petrus Osnabrück, die der Träger ist.



Bis Ende dieses Jahres wird die Kita zunächst mit zehn Kindern jüdischen Glaubens beginnen. Ab Januar sollen auch Kinder anderer Konfessionen aufgenommen werden. Im Rahmen jüdischer Religionspädagogik lernen die Kleinen vor allem Traditionen und Feste dieser Religion kennen. Bei den Verhandlungen über die Kooperation legte die Jüdische Gemeinde Wert darauf. Denn: Sie setzt sich nahezu komplett aus Gläubigen zusammen, die aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion stammen. "Uns ist es daher sehr wichtig, dass unsere Kinder das Synagogenjahr kennenlernen, da ihre Familien das vielfach nicht mehr praktizierten", sagte der Gemeindevorsitzende Michael Grünberg am Freitag bei der offiziellen Eröffnung.



Einladung zum Lichterfest

Gleichwohl sollen den Kindern der König David-Kita auch die christlichen Feste und Feiertage vertraut werden. "Wir laden die Kinder aus dem benachbarten Barbara-Kindergarten zum Lichterfest Chanukka ein. Und bestimmt werden wir auch Adventsfeiern dort besuchen", erläuterte Grünberg. Für die jüdisch geprägte Religionspädagogik entwickeln die drei Erzieherinnen in Abstimmung mit dem Seelsorgeamt der Diözese und der Synagogengemeinde derzeit noch ein Konzept. "Vorgesehen sind beispielsweise Vorbereitungen auf den Sabbat wie das rituelle Händewaschen vor den Mahlzeiten", erklärte Anne Feldmann, die katholische Leiterin der König David-Kita. Das Essen für die Kinder ist den jüdischen Speisevorschriften gemäß koscher. Die Mahlzeiten kommen bis zum Umzug in einen noch zu errichtenden Neubau aus der Osnabrücker Synagoge.



Das Kooperationsprojekt einer christlich-jüdischen Kindereinrichtung entstand im Verlauf der Verhandlungen über die sogenannten trialogische Johannisschule in Osnabrück. Aus der katholischen Bekenntnisschule wird im nächsten Jahr eine Drei-Religionen-Grundschule, die Kindern mit christlicher, jüdischer und muslimischer Konfession aufnimmt. Der Osnabrücker Generalvikar Theo Paul und Grünberg kamen überein, die gemeinsame Kita als Vorstufe zur geplanten Drei-Religionen-Schule einzurichten.



Beitrag zum Konzept der Friedensstadt Osnabrück

"Die jüdische Kita ist unser konkreter Beitrag zum Konzept der Friedensstadt Osnabrück", betonte Paul bei der Eröffnung. Grünberg bedankte sich für die finanzielle Hilfe. "Für uns ist das ein ganz besonderer Tag, endlich auch einen Kindergarten zu haben. Das wäre uns ohne Unterstützung in dieser kurzen Zeit nicht gelungen", so der Gemeindevorsitzende.



Die Kooperationsvereinbarung sieht etwa vor, ein dauerhaftes Betreuungsangebot für "Kinder jüdischen und christlichen Glaubens unter Beibehaltung der Besonderheiten jeder Glaubensrichtung einzurichten". Auf dem Verhandlungsweg über die Ausrichtung der neuen Kita hätte nicht immer "eitel Sonnenschein" geherrscht, wie Wilm Heidemann vom Kirchenvorstand einräumte. Seitens der Jüdischen Gemeinde gebe es Stimmen, die eine Vereinnahmung befürchteten. So sollen christliche Symbole wie das Kreuz in der König David-Kita noch nicht zu sehen sein. Doch spätestens, wenn sich die Kleinen auf dem gemeinsamen Spielplatz kennenlernten, beginne aus noch provisorischer Zusammenarbeit ein Stück Normalität, zeigt sich Heidemann zuversichtlich.