Bundesverwaltungsgericht: Religionsfreiheit geht über Tierschutz

Schächten ohne Betäubung erlaubt

Muslimische Metzger dürfen in Deutschland Rinder und Schafe schächten. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied am Donnerstag, dass die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz nicht ausschließe, einem muslimischen Metzger eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, um seine Kunden ihrer Glaubensüberzeugung entsprechend mit Fleisch zu versorgen. Beim
Schächten werden die Tiere betäubungslos durch Ausbluten getötet. Tierschützer fordern seit langem ein Schächtverbot in Deutschland.

 (DR)

Das Tierschutzgesetz sehe Ausnahmen für Religionsgemeinschaften vor, bei denen zwingende Glaubensvorschriften den Fleischgenuss von unter Betäubung geschächteten Tieren verbieten, so die Richter. Das Gesetz beachte damit sowohl die Grundrechte als auch das Ziel des ethischen Tierschutzes, so die Richter. Daran habe sich auch "durch die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung nichts geändert". Ein Vorrang vor der Religionsfreiheit sei dabei nicht beabsichtigt gewesen.

Beim islamischen Schächten richtet der Schlachter den Kopf des Tieres nach Mekka aus, ruft den Namen Gottes an und muss dann mit einem Schnitt Luftröhre und Halsschlagadern des Tieres durchtrennen. Danach muss das Schaf oder Rind vollständig ausbluten.

Dachverbände lehnen Betäubung ab
Eine vorherige Betäubung, wie sie das Tierschutzgesetz vorschreibt, wird von den muslimischen Dachverbänden Islamrat und Zentralrat der Muslime abgelehnt. Allerdings gibt es auf islamischer Seite unterschiedliche Auffassungen. So sieht die renommierte Al-Azhar-Universität in Kairo eine vorherige Betäubung als erlaubt an, wenn Muslime anders nicht schächten dürfen.

Fleisch von geschächteten Tieren sei "eine existenzielle Notwendigkeit" in der islamischen Glaubensauffassung, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Axel Ayyub Köhler, am Rande der Verhandlung. "Wenn wir schon ein Mitgeschöpf töten müssen, dann ist das Schächten die humanste Art und Weise."» Der Vorsitzende der Aktion Kirche und Tiere, Pfarrer Ulrich Seidel, kritisierte dagegen das betäubungslose Schächten. Dies werde im Islam "nur von einer Minderheit als notwendig erachtet".

Tierschützer fordern Schächtverbot
Das Bundesverfassungsgericht hatte Muslimen im Januar 2002 Ausnahmen vom Verbot des betäubungslosen Schächtens zugestanden. Ein generelles Verbot verletze die Grundrechte der Berufs- und Religionsfreiheit, urteilten die Richter. Kurz darauf wurde indes der Tierschutz ins Grundgesetz aufgenommen. Somit müssen die zuständigen Umweltministerien zwischen Tierschutz und freier Religionsausübung abwägen, die beide von der Verfassung geschützt sind. Tierschützer halten das betäubungslose Schlachten für Tierquälerei und fordern ein völliges Schächtverbot.

NRW und BW: Strenge Auflagen
In Nordrhein-Westfalen regelt ein Erlass von 2003, dass muslimische Metzger nur unter hohen Auflagen eine Ausnahmegenehmigung erhalten können. Dazu müssen sie Fachkunde, einen geeigneten Betrieb und die zwingende Notwendigkeit zum Schächten aus religiösen Gründen nachweisen. Außerdem müssen sie sicherstellen, dass geschächtetes Fleisch nur an Muslime geht.

Das Ernährungsministerium in Baden-Württemberg hat eine umfassende Liste von Auflagen formuliert, die für eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten erfüllt sein müssen. Dazu gehören neben dem Nachweis der Sachkunde Anforderungen an die Praxis des Schächtens sowie Vorschriften zum Absatz des Fleisches.