Bundestag entschuldigt sich für falsche Verdächtigungen

Späte Einsicht

Das Engagement gegen Rechtsextremismus soll stärker gefördert werden - darin sind sich Politiker aller Parteien einig. Die Diskussion über Folgen aus der Neonazi-Mordserie löste im Bundestag aber Streit über die Extremismusklausel aus - die Bundesregierung hatte nämlich in den vergangenen Jahren den Kampf gegen Rechts erschwert.

 (DR)

Die Mitglieder des Bundestags haben in einer gemeinsamen Erklärung den Angehörigen der Opfer der Neonazi-Mordserie ihr Mitgefühl ausgesprochen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) entschuldigte sich am Dienstag im Namen der Abgeordneten bei den Angehörigen auch für falsche Verdächtigungen im Verlauf der Ermittlungen. In der Stadt Zwickau, dem letzten Wohnort der mutmaßlichen Täter, soll am Freitag der Opfer gedacht werden. Hinterbliebene werden in dieser Woche mit Bundespräsident Christian Wulff zusammentreffen und sollen Entschädigungszahlungen erhalten.



Der Bundestag forderte als Konsequenz aus der Mordserie, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit stärker zu fördern. Rechtsextremistischen Gruppen müsse der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden, heißt es in einem gemeinsamen Entschließungsantrag, den die Abgeordneten am Dienstag einstimmig verabschiedeten. Es müsse außerdem geprüft werden, wo einem Engagement gegen Rechtsextremismus Hindernisse entgegenstünden.



Ein Neonazi-Trio aus dem sächsischen Zwickau soll in den Jahren 2000 bis 2007 insgesamt zehn Menschen ermordet haben. Opfer waren Kleinunternehmer mit ausländischen Wurzeln sowie eine Polizistin. Der extremistische Hintergrund der Taten war von Verfassungsschutz und Polizei zunächst nicht erkannt worden. Zwei der mutmaßlichen Rechtsterroristen hatten Anfang November Selbstmord begangen. Eine Komplizin der beiden Männer sitzt in Untersuchungshaft.



Kritik an Extremismusklausel

Die Opposition kritisierte in der Bundestagsdebatte die sogenannte Extremismusklausel, mit der sich Initiativen, die staatlich gefördert werden wollen, zur Verfassungstreue bekennen müssen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier beklagte, gegen Rechtsextremismus engagierte Menschen würden so unter einen linksextremen Generalverdacht gestellt. Vertreter von CDU und FDP wiesen diesen Vorwurf zurück.



Bundespräsident Christian Wulff werde Mitte der Woche Angehörige der Opfer treffen, sagte ein Sprecher des Bundespräsidialamts dem epd. Die Gespräche seien vertraulich, weitere Details würden zurzeit nicht mitgeteilt. Wulff sei auch als Redner für die Gedenkkundgebung am Freitag in Zwickau angefragt, sagte die Vorsitzende der DGB-Region Südwestsachsen, Sabine Zimmermann. Gerechnet werde mit mehreren tausend Teilnehmern.



Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bekräftigte vor dem Bundestag, dass die Angehörigen der Mordopfer Entschädigungszahlungen aus den Mitteln ihres Ministeriums erhalten sollen. Für 2011 stehe eine Million Euro für Entschädigungen von Opfern extremistischer Gewalt bereit. "Dass wir jetzt alles tun, um unbürokratisch ein kleines Zeichen zu setzen und eine Entschädigung an verletzte Opfer und Angehörige zu zahlen, ist das mindeste", sagte die Ministerin. Auch 2012 werde es für die Extremismusbekämpfung "ausreichend Mittel" geben.



Der Freistadt Sachsen, in dem die Neonazis zuletzt lebten, erhöht als Reaktion auf die Mordserie die Mittel für sein Landesprogramm "Weltoffenes Sachsen" ab 2012 um eine Million Euro. Demokratievereine und Initiativen gegen Neonazis können dann mit insgesamt drei Millionen Euro im Jahr gefördert werden.