Bundesregierung sieht Verantwortung für Flüchtlinge bei Italien

Keine deutsche Hilfe?

Italien kann wegen des Andrangs von Flüchtlingen aus Nordafrika nicht mit Hilfe aus Deutschland rechnen. Kurz vor dem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, Italien müsse mit Tunesien über eine Rückführung der Flüchtlinge sprechen.

 (DR)

Diese seien überwiegend Wirtschaftsflüchtlinge und würden beim Aufbau ihres Landes gebraucht. Europa werde selbstverständlich wenn nötig gegenüber Italien Solidarität üben, sagte der Minister. In einer ersten Stufe müsse aber jedes Land seiner eigenen Verantwortung gerecht werden. "Die europäische Solidarität tritt erst dann ein, wenn ein einzelnes Land überfordert ist", unterstrich Friedrich.



Auch Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU) sagte im Südwestrundfunk (SWR), es liege in der Verantwortung Italiens, die Flüchtlinge aus Tunesien in ihre Heimat zurückzuschicken. Dass Italien es den Flüchtlingen ermögliche, in andere EU-Mitgliedsländer weiterzureisen, sei nicht in Ordnung und widerspreche dem Geist von Europa.



Die Menschen aus Nordafrika würden jetzt in ihrer Heimat gebraucht, sagte der Staatssekretär weiter. Wenn man ihnen erlaube, nach Europa zu kommen, könne das eine Sogwirkung entfalten, mit der keinem gedient sei. Schröder sagte ferner, dass Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen bereit sei, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Libyen aufzunehmen.



Erinnerung an Jugoslawien

Als zweiter deutscher Vertreter nimmt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) an der Konferenz in Luxemburg teil. "Deutschland hat damals 100.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgenommen, ohne von anderen europäischen Staaten Hilfe erwartet zu haben, sagte Schünemann der "Welt". Italien sei jetzt mit 23.000 tunesischen Migranten "keineswegs überfordert". Von ihnen haben bisher zehn Prozent einen Asylantrag gestellt.



"Italien verstößt eklatant gegen geltendes europäisches Asylrecht", sagte Schünemann. Um "Asyltourismus" zu verhindern, sähen die europäischen Regeln vor, dass der Mitgliedsstaat, in dem die Menschen ankommen, dafür verantwortlich sei, dass sie menschenwürdig untergebracht würden und ein faires Asylverfahren erhielten. "Der Innenministerrat in Luxemburg muss die italienische Regierung veranlassen, ihre europarechtswidrige und unsolidarische Praxis sofort einzustellen", forderte Schünemann. Er lehnte Ausgleichszahlungen der EU-Staaten für Italien ab. "Wer so agiert, kann nicht mit einer finanziellen Unterstützung der Partnerländer rechnen."



Schengen-System aussetzen

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU), hält eine vorübergehende Aussetzung des Schengen-Systems für vorstellbar. "Sollte die italienische Regierung gegen alle Regeln sowie europäisches Recht verstoßen und Aufenthaltstitel gewähren, die dazu führen, dass Flüchtlinge in andere europäische Länder ausreisen können, dann wird zu erwägen sein, ob in Deutschland das Schengen-System vorübergehend außer Kraft gesetzt wird. Mit der Folge, dass es wieder Grenzkontrollen geben wird", sagte Rhein der "Welt". Noch sei aber eine Dimension von Flüchtlingen zu konstatieren, "die Italien ohne die Hilfe anderer zu schultern hat."



Völlig anders verhalte es sich mit der Lage auf Malta, die dort nicht ohne europäische Hilfe bewältigt werden könne. "Deswegen ist es der richtige Weg, wenn Deutschland sich hier solidarisch zeigt und 100 Flüchtlinge aufnimmt, die bereits schon einmal auf die Bundesländer verteilt werden", sagte Rhein der Zeitung.



Kardinal dementiert Kritik an deutscher Asylpolitik

Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper hat derweil Medienberichte dementiert, er habe die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundesregierung als "inakzeptabel" bezeichnet. Diesen Satz habe er nie gesagt, teilte Kasper am Sonntag mit. Er sei von der italienischen Tageszeitung "La Stampa" falsch wiedergegeben worden.



Gegenüber dem Blatt habe er lediglich auf das biblische Gebot der Gastfreundschaft verwiesen, Notleidenden und Verfolgten nicht die Türe zu verschließen, so Kasper. Zudem habe er darauf hingewiesen, dass Italien der europäischen Solidarität bedürfe und Deutschland in diesem Zusammenhang "positive Beiträge" geleistet habe, sagte Kasper.