Bundespräsident Wulff besucht das vom Drogenkrieg zerrissene Mexiko

Herzlich willkommen im Krisenstaat

Bundespräsident Wulff bricht heute zu einer gut einwöchigen Reise nach Lateinamerika auf. Mit seinen Staatsbesuchen in Mexiko, Costa Rica und Brasilien wolle er die Gemeinsamkeiten und Bindungen unserer Länder würdigen, kündigte Wulff in Berlin an. Ein Lagebericht aus Mexiko.

 (DR)

Es wird ein herzliches Willkommen. Zum Auftakt seiner ersten Lateinamerikareise als Bundespräsident besucht Christian Wulff am Sonntag für zweieinhalb Tage Mexiko. Die Sympathie der 112 Millionen Mexikaner ist dem früheren Aufsichtsratsmitglied des Volkswagen-Konzerns sicher. Denn vom Fußball bis zur Ingenieurskunst erfreut sich im VW-Käfer-Land Mexiko alles, was deutsch ist, ungebrochener Popularität.



Das gilt auch für Mexikos Regierung. Außenministerin Patricia Espinosa und weitere Minister absolvierten die Deutsche Schule, die in Mexiko als die Eliteschule schlechthin gilt. Besonders gelegen kommt Wulffs Staatsbesuch seinem mexikanischen Felipe Calderón. Nach mehr als vier Jahren Drogenkrieg steht der christlich-konservative Staatschef mit dem Rücken zur Wand und kann positive Schlagzeilen gebrauchen.



Mehr als 40.000 Menschen starben, seit Calderón nach seinem Amtsantritt Ende 2006 die Armee gegen die Drogenkartelle Mexikos mobilisierte, und täglich werden neue Gräueltaten bekannt. Umfragen zufolge betrachten die meisten Mexikaner den Drogenkrieg als verloren und machen den Präsidenten für die unkontrollierbare Gewalt verantwortlich. In mehreren Städten bilden sich schlagkräftige Bürgerorganisationen, die eine grundlegende Reform des Staates und seiner oft korrupten Institutionen fordern.



Entführungen und Erpressungen

Auch Moises Naím, Autor eines Schwarzbuchs über das organisierte Verbrechen, malt ein düsteres Bild. Der Experte der US-Denkfabrik "Carnegie Endowment for International Peace" sieht Mexiko auf dem Weg zu einem gescheiterten Staat, in dem weite Regionen und wichtige staatliche Institutionen bereits von der Drogenmafia kontrolliert seien.



Unter dem schlechten Image leiden auch die 1.200 deutschen Unternehmen in Mexiko. Dazu gehören neben Volkswagen mit seinem Werk in Puebla vor allem mittelständische Firmen und Automobilzulieferer. Die meisten schätzen die Geschäftslage zwar als gut ein, dank niedriger Lohnkosten, der Nähe zu Mexikos Freihandelspartner USA und hohen Gewinnmargen im ungesättigten mexikanischen Binnenmarkt. Doch zugleich beklagen sie steigende Kosten für die Sicherheit. Entführungen und Erpressungen nehmen massiv zu.



Keine verkappte Imagewerbung

Wulff reist mit seiner Ehefrau Bettina und wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, der auch Maria-Elisabeth Schaeffler angehört. Sie ist Hauptaktionärin des gleichnamigen Maschinenbaukonzerns, der in Mexiko ebenfalls eine Fabrik unterhält.



Als verkappte Imagewerbung für den Investitionsstandort Mexiko will der Bundespräsident seinen Staatsbesuch jedoch nicht sehen. Ziel sei vielmehr, die Beziehungen in Politik, Wirtschaft und Kultur weiterzuentwickeln, heißt es. Der letzte Staatsbesuch eines deutschen Bundespräsidenten liegt schließlich acht Jahre zurück, als Johannes Rau nach Mexiko gereist war. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte das Land im Frühjahr 2008.



Fast zwei Stunden sind für das Gespräch zwischen Wulff und seinem Amtskollegen Calderón vorgesehen. Dabei sollen auch unangenehme Themen zur Sprache kommen, allen voran die Menschenrechtslage. Denn Mexikos Armee hat in ihrem Drogenkrieg zahlreiche Menschen gefoltert, ermordet oder spurlos verschwinden lassen.



Wulff wird sich daher auch mit Menschenrechtlern treffen. Darunter ist Abel Barrera, der Ende Mai den Menschenrechtspreis der deutschen Sektion von Amnesty International erhält. Seit 1994 belegt er minuziös, wie Justiz und Armee in Mexiko die indianischen Völker unterdrücken. Besonders zugenommen hat dies in seinen Augen unter Calderóns Drogenkrieg.



Bevor Wulff nach Costa Rica und Brasilien weiterreist, steht auf seiner dichtgepackten Agenda auch ein Termin vor einer breiteren Öffentlichkeit in Mexiko: Am Montag hält er eine Rede an der renommierten Nationalen Autonomen Universität. Auch hier wird der Bundespräsident vermutlich das große Wohlwollen spüren, das die Mexikaner - anders als den Spaniern oder den US-Amerikanern - den Deutschen entgegenbringen.