Bundespräsident Gauck spricht bei seinem ersten Staatsbesuch auch Differenzen an

Ein Freund Israels

Als unbeschriebenes Blatt kam er an, als Freund reist er wieder ab. Bundespräsident Joachim Gauck eroberte die Herzen seiner israelischen Gesprächspartner, indem er sich selbst treu blieb. Man könne ja gar nicht anders, als ein Freund Israels zu sein, bekannte der Staatsgast. Der Besuch in Ramallah, wo Gauck mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Regierungschef Salam Fayyad zusammentraf, fiel geringfügig kühler aus.

Autor/in:
Susanne Knaul
 (DR)

Abbas empfing das deutsche Staatsoberhaupt mit Ehrengarde und Nationalhymnen. Gauck bekräftigte Deutschlands Eintreten für eine Zwei-Staaten-Lösung und versprach deutsche Hilfe bei der Schaffung "eines eigenständigen palästinensischen Staates". Er erinnerte daran, dass die Bundesrepublik die Autonomiegebiete mit jährlich 70 Millionen Euro unterstützt.



Jerusalem gibt Leichen von Palästinensern frei

Auf dem Gelände der Muqataa, dem Präsidentensitz in Ramallah, hatten Sicherheitskräfte schon am Morgen Särge mit den Überresten von 80 "Märtyrern" abgeladen - palästinensische Terroristen, die im Verlauf ihrer blutigen Mission selbst ums Leben kamen. Die Regierung in Jerusalem betrachtet die Freigabe der Leichen, von denen manche seit fast 40 Jahren in Israel begraben waren, als vertrauensbildende Maßnahme und hofft nun auf eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. Die Palästinenser beharren indes unverändert auf ihrer Forderung, den Bau der Siedlungen im Westjordanland einzustellen, bevor sie den Dialog wiederaufnehmen wollen.



Im palästinensischen Städtchen Burin nahe Nablus wohnte Gauck zuvor der Eröffnung einer Mädchenschule bei. Eine von mehr als 80 Schulen, die mit deutscher Unterstützung gebaut oder wieder aufgebaut wurden. Letzter Programmpunkt von Gaucks Staatsbesuch war ein für den Nachmittag geplantes Treffen mit Kirchenvertretern in der evangelischen Himmelfahrtkirche auf dem Jerusalemer Ölberg.



Die deutsch-israelische Verbindung liegt Gauck am Herzen. Er traf Überlebende des Holocaust und Angehörige der israelischen Sportler, die bei den Olympischen Spielen 1972 in München von Terroristen des Schwarzen Septembers ermordet worden waren. Bescheiden und gerührt hörte er auch den Geschichten jüdischer Einwanderer aus Deutschland zu. "Er hätte es nicht schöner machen können", meinte Stef Wertheimer, ein deutschstämmiger israelischer Industrieller, über den Besuch. Gauck zeichnete Wertheimer mit dem Bundesverdienstkreuz aus.



Gauck: Jede Nazi-Demo wird von zehnmal mehr Antifaschisten begleitet

Der Bundespräsident zerstreute die Sorge vor einem aufkommenden Antisemitismus in seinem Land und einer laut einer Umfrage dramatisch wachsenden anti-israelischen Stimmung unter Deutschen. Jede Demonstration von Neonazis werde begleitet von "zehnmal mehr" Antifaschisten, gibt er zu bedenken.



Die Gespräche mit israelischen Politikern nutzte Gauck dazu, sich persönlich einen Eindruck zu verschaffen, Fragen zu stellen und um zu lernen. Von nur "geringfügigen Distanzen" sprach er nach seiner Begegnung mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, obgleich er auf seiner Reise wiederholt für die Zwei-Staaten-Lösung eintrat und zu "Zeichen beim Siedlungsbau" aufforderte. Gauck stellte sich damit hinter die Position der Bundesregierung und der EU.



Die israelische Führung empfing den Gast aus Deutschland mit Herzlichkeit und viel Interesse. Präsident Schimon Peres traf ihn mehrere Male, Netanjahu verlängerte das Treffen um gut eine Stunde über die angesetzte Zeit. Zentrale Themen waren neben den deutsch-israelischen Beziehungen und dem Nahost-Friedensprozess auch die türkisch-israelische Krise sowie vor allem das iranische Atomprogramm.



Keinerlei Beachtung fand hingegen in der israelischen Presse die in verschiedenen deutschen Medien vermutete "Distanzierung" Gaucks von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In ihrer Rede in der Knesset vor vier Jahren hatte Merkel gesagt, das Existenzrecht Israels gehöre zur deutschen Staatsräson. Gauck selbst bezeichnete die Sicherheit und das Existenzrecht Israels hingegen als "für die deutsche Politik bestimmend". Er betonte später, dass zwischen seiner Position und der der Kanzlerin keine Differenzen bestünden.