Bundeskunsthalle erschließt Siziliens Kunstgeschichte

Die Petri-Schale Europas

Grollen und Feuerspuken begrüßt die Besucher der Ausstellung "Sizilien! Von Odysseus bis Garibaldi" in der Bundeskunsthalle. Im Empfang speit der Ätna dank moderner Projektionstechnik Lava vor einer antiken Steinskulptur des
Sagenhelden Odysseus. Zu Füßen des größten Vulkans Europas fanden
Archäologen diese antike Darstellung des reisenden Helden, mit dem Homer die vielleicht erste europäische Figur der Literatur geschaffen hatte.

Autor/in:
Klaus Nelißen
 (DR)

Sizilien - von der größten Insel des Mittelmeers hört man derzeit mehr über Mafia-Treiben und Müllberge des nahe gelegenen Neapel als von den Protagonisten alter Erzählungen und von der schier übersprudelnden Schatzkammer Europas, welche die Insel tatsächlich ist. Die Bonner Museumsmacher führen die Besucher mit 300 teils spektakulären Objekten zurück auf die Spuren zu dem Sizilien, das für Goethe der "Schlüssel zum Verständnis Italiens" war.

Kulturelles "Versuchslabor" Europas
Der Rundgang durch mehr als 3.000 Jahre Kulturgeschichte macht deutlich, dass jene sagenhafte Insel kunstgeschichtlich ein großes Versuchslabor Europas war. So wie in einer Petri-Schale organische Kulturen wachsen, so entwickelten sich auf der dreiecksförmigen Insel am Fuße Italiens eine ganze Fülle von Zivilisationen.

Es verwundert nicht, dass Sizilien die erste Kolonie des römischen Imperiums war, bevor das System Rom in den ganzen Mittelmeerraum exportiert wurde. Auch die Griechen, Araber, Byzantiner, Normannen, Habsburger und nicht zuletzt die Bourbonen kamen dorthin und brachten hier ihre Kultur zur Blüte. Das vielleicht interessanteste europäische "Experiment" auf Sizilien dokumentiert die Ausstellung mit der normannischen Epoche im 11. Jahrhundert. In diesem Zeitalter der religiösen Toleranz unter Herrschern wie Roger II. befruchteten sich arabische und christliche Einflüsse gegenseitig.

Ausstellungsobjekte erstmals außerhalb Italiens zu sehen
"Eine einmalige kulturelle Vielfalt bei Wahrung der eigenen Identität" nennt Kurator Wolf-Dieter Heilmeyer das besondere Phänomen, dass sich Siziliens Kultur immer wieder neuen Einflüssen geöffnet hat und eine je eigenständige Note dazugeben konnte. Die meisten Ausstellungsobjekte sind erstmals außerhalb Italiens zu sehen. Und viele sprechen von der gewaltigen kulturschöpferischen Kraft der Insel: So der bronzene Widder, eine der größten erhaltenen Tiersplastiken der Antike, den später der Stauffer-Kaiser Friedrich II. neben das Portal seiner sizilianischen Festung anbrachte. Oder
die erstmals präsentierte Venus-Statue aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Sie wurde erst jüngst bei Ausgrabungen in Marsala entdeckt. Aus der Barock-Zeit ist das großformatige Meisterwerk Caravaggios, die "Anbetung der Hirten" von 1609 zu sehen. Die Abteilung mit Kunstwerken der Renaissance und des Barock präsentiert auch das typische sizilianische Kunsthandwerk der Korallenschnitzerei, darunter kostbare Reliquienbehälter. Ein besonderer Schrein schlägt dabei die Brücke zum Rheinland: Aus dem
Rumpf eines ein Meter langen Schiffes von 1705 schauten einst Reliquien der heiligen Ursula. Laut Inschrift der stolzen Sizilianer wollte die Kölner Stadtheilige, die der Legende nach per Schiff mit 11.000 Jungfrauen nach Rom fuhr, eigentlich nach Sizilien fahren. Nun verweilt das Schiff in Bonn und ist damit der Ursulinen-Stadt Köln so nah wie noch nie zuvor.

Die Ausstellung ist bis 25. Mai dienstags und mittwochs von 10.00 bis 21.00 Uhr sowie donnerstags bis sonntags von 10.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7,50 Euro, ermäßigt 5 Euro. Der Ausstellungskatalog kostet 29 Euro.