Bundesgerichtshof: Arzt muss kein Schmerzensgeld zahlen

 (DR)

Ärzte müssen wegen der Lebensverlängerung eines Patienten durch künstliche Ernährung kein Schmerzensgeld zahlen. Die künstliche Ernährung stelle trotz des damit verbundenen Leidens des Patienten keinen "Schaden" dar, entschied am Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Stirbt der Patient, können daher dessen Erben die Ärzte nicht in Haftung nehmen und Schadenersatz und Schmerzensgeld verlangen. (AZ: VI ZR 13/18)

Damit kann der Sohn eines im Oktober 2011 verstorbenen 82-jährigen Mannes den behandelnden Arzt nicht für das Leiden seines Vaters haftbar machen. Der schwer demenzkranke und bettlägerige Mann konnte nicht mehr sprechen und seinen Behandlungswillen nicht mehr kundtun. Die vom behandelnden Hausarzt seit 2006 veranlasste künstliche Ernährung hielt den Mann am Leben. Eine Patientenverfügung lag von ihm nicht vor. Der Sohn, der jahrelang in den USA lebte, rügte, dass der Hausarzt das Leben seines Vaters sinnlos verlängert habe.

Das Oberlandesgericht München hatte ihm in seinem Urteil vom 21.Dezember 2017 insgesamt 40.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen (AZ:1 U 454/17). Der BGH hob dieses Urteil nun auf. Der Sohn habe keinen Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Es fehle an einem Schaden. Das menschliche Leben sei ein "höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig". Das Urteil über seinen Wert stehe keinem Dritten zu.

Der BGH betonte, dass Ärzte selbst dann kein Schmerzensgeld zahlen müssen, wenn sie sich an eine vorliegende Patientenverfügung nicht halten. "Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten mag" und er eine "lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen" ablehnt, stelle das Leben des Patienten keinen Schaden dar, urteilten die Bundesrichter. Dennoch müssen sich Ärzte an Patientenverfügungen halten. Andernfalls kann der Betreuer des Patienten den Patientenwillen vor dem Betreuungsgericht durchsetzen.

Der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio begrüßt das Urteil. Maio sagte am Dienstag im SWR: "Weiterleben kann kein Schaden sein, insofern ist diese Entscheidung eher beruhigend." Zugleich kritisierte Maio das Verhalten des behandelnden Arztes. Der Mediziner habe nicht richtig gehandelt, weil er die Frage nicht aufgeworfen habe, ob es sinnvoll und im Sinne des Vaters sei, eine Magensonde zur künstlichen Ernährung zu verwenden. In dem Fall sei nicht eindeutig gewesen, ob die Behandlung im Sinne des Vaters sei. (epd/ KNA, 2.4.19)