BAG-Richterin mahnt Kirchen zu konsequenterem Handeln

"Guter Geist" entscheidend

Bundesarbeitsrichterin Karin Spelge hat an die Kirchen appelliert, ihr Arbeitsvertragsrecht konsequenter anzuwenden. Sie sollten nicht dulden, dass einzelne ihrer Einrichtungen davon abwichen, etwa durch niedrigere Löhne.

Kirchliches Arbeitsrecht / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Kirchliches Arbeitsrecht / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Vielmehr sollten die Kirchen solche Einrichtungen bis hin zum Ausschluss sanktionieren, sagte die Erfurter Juristin Karin Spelge auf der 22. Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) vor rund 400 Zuhörern aus ganz Deutschland.

Die Kirchen müssten so ihre Glaubwürdigkeit sicherstellen, sonst drohe ihr Selbstbestimmungsrecht zu implodieren. Dies sei die eigentliche Gefahr für den eigenständigen Weg der Kirchen im Arbeitsrecht. Die europäische Rechtsprechung sei demgegenüber nachrangig. 

Kirchliches Selbstbestimmungsrecht muss zurückstehen

Spelge bezog sich auf aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) in Luxemburg. Dieser hatte 2018 in zwei Entscheidungen zulasten kirchlicher Arbeitgeber in Deutschland geurteilt. Nach Darlegung der Juristin gibt es kaum einen nationalen Rechtsbereich, der so stark von europäischem Unionsrecht überformt wird wie das Arbeitsrecht.

Letztlich verfolge der EUGH das Ziel einer EU-weiten Rechtsgemeinschaft, vor der alle nationalen Besonderheiten wie das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in Deutschland zurückstehen müssten.

Diese Perspektive unterscheidet sich laut Spelge grundlegend von der des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe räume den Kirchen einen weiten Spielraum ein, weshalb sich dort die Grundrechte der Arbeitnehmer in der Regel nicht durchsetzten.

Kirche müsse Loyalitätserwartungen erfüllen

Die Berliner Diözesancaritasdirektorin Ulrike Kostka sagte, mehr als 50 Jahre lang habe die katholische Kirche von ihren Mitarbeitern Loyalität erwartet. Nun sei es an der Zeit, diese Perspektive umzudrehen. Viele Kirchenmitarbeiter wüssten inzwischen nicht mehr, ob sie wirklich noch in dieser Kirche arbeiten könnten. Die Kirche müsse lernen, dass auch sie Loyalitätserwartungen zu erfüllen habe.

Dazu zähle ein entschiedeneres Vorgehen gegen Klerikalismus und Amtsmissbrauch. Von der evangelischen Kirche könne sie mehr Synodalität und Streiten auf Augenhöhe lernen. Hierarchie dürfe nicht dazu genutzt werden, ein offenes Diskussionsklima zu verhindern.

Ein Gott ohne TV und Qualitätscheck

Die christliche Identität einer kirchlichen Einrichtung lasse sich nicht mehr wie früher am Taufschein ihrer Mitarbeiter festmachen, sagte die habilitierte Moraltheologin. Dies sei nicht zuletzt eine Erkenntnis aus dem Missbrauchsskandal. Ein Chefarzt mit fünf Kindern könne als fleißiger Kirchgänger formell "sehr katholisch" sein und zugleich unter seinen Mitarbeitern Angst verbreiten.

Entscheidend sei vielmehr, ob in Einrichtungen der Kirche ein "guter Geist" herrsche und dort den Menschen ein Gott nähergebracht werde, "der sie ohne TÜV und Qualitätscheck anschaut". Wichtige Maßstäbe seien außerdem die Qualität der Führung sowie Transparenz nach innen und außen.

 

Quelle:
KNA
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