Buchmesse 2022 bietet kaum Podien zu Christentum oder Kirche

"Coaching mit Tarotkarten" und das "Rätsel der Schamanin"

Podiumsveranstaltungen zu Reformen in der Kirche, zu den Lehren aus dem Missbrauchsskandal oder zum Schwinden des Christentums in Deutschland? Das sucht man auf der Buchmesse vergebens. Die Macher erläutern nun, warum.

Autor/in:
Norbert Demuth
Frankfurter Buchmesse / © Sebastian Gollnow (dpa)
Frankfurter Buchmesse / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Wer bei der Volltext-Suche im Veranstaltungskalender der Frankfurter Buchmesse nach Stichworten wie Religion, Kirche oder Christentum sucht, macht eine überraschende Entdeckung: Es gibt unter den mehreren hundert Veranstaltungen kaum Treffer. Auch zum Missbrauchsskandal findet man kein Podium. Eher fündig wird man bei den Themen Islam und Judentum sowie Lebenshilfe und Spiritualität.

Gibt man als Suchwort "katholisch" ein, stößt man auf eine "Happy Hour" am Messestand des Katholischen Medienverbands. Dahinter verbirgt sich ein Sektempfang, allerdings nur für geladene Gäste.

Sucht man "Glaube", wird ein Buchmesse-Gespräch mit dem Schauspieler Francis Fulton-Smith über dessen Buch "Der dunkelste Moment ist der vor Sonnenaufgang" angezeigt. Im Veranstaltungstext heißt es:

"Äußerlich vielbeschäftigt und erfolgreich, steht Francis Fulton-Smith nach zwei gescheiterten Beziehungen vor den Scherben seiner Lebensplanung. Am Tiefpunkt seiner Verzweiflung tritt er eine Reise in sein Innerstes an." Bei Meditations-Trainings habe er sich von alten Glaubenssätzen befreit.

Buchmesse auch für Lesepublikum geöffnet

Eher als in früheren Jahren hat die Frankfurter Buchmesse diesmal ihre Tore für das Lesepublikum geöffnet. Schon am Freitagmorgen durfte jeder, der wollte, aufs Messegelände. Lange Zeit war die Messe erst am Samstag für jedermann zugänglich, seit einigen Jahren hatten die Publikumstage am Freitagmittag begonnen. Anders als früher dürfen die Verlage inzwischen auf der Messe auch Bücher verkaufen.

Buchmesse auch für Lesepublikum geöffnet / © Sebastian Gollnow (dpa)
Buchmesse auch für Lesepublikum geöffnet / © Sebastian Gollnow ( dpa )

"Das Rätsel der Schamanin"

Wer "Religion" sucht, stößt auf ein Gespräch zum Thema "Das Rätsel der Schamanin. Eine archäologische Reise zu unseren Anfängen". Auch "Coaching mit Tarotkarten" wird angeboten. Am Stand des Königsfurt-Urania Verlags könne man sich von Tarotexperten Karten legen und deuten lassen - "wenn du neugierig bist oder auch zu einer bestimmten Frage".

Die üblichen Verdächtigen des Kirchenspektrums fehlen: kein Pater Anselm Grün, keine Margot Käßmann. Dafür befassen sich im Bibelhaus Frankfurt die Autoren Kai Michel und Carel van Schaik mit der Frage:

"Was macht die Faszination der Bibel aus?" Beide Autoren verstünden sich aber als Agnostiker und seien nicht-religiös.

Immerhin wurde kurzfristig für Samstag eine Lesung der badischen Landesbischöfin Heike Springhart angekündigt. Sie liest am Stand des Jeff Klotz Verlages aus ihrem Buch "Hoffnungsstur und glaubensheiter". Die Bischöfin vorab: "Es geht darum, dass wir uns neu vergewissern, was trägt, was unsere Hoffnung im Leben und im Sterben ist und, ja, warum es gute Gründe gibt, starken Kirchen etwas zuzutrauen."

Starke Kirchen? Wirken die Kirchen nicht ziemlich schwach? Und gäbe es bei der weltgrößten Bücherschau nicht Debattenbedarf über kirchliche Reformen oder das Schwinden des Christentums in Deutschland?

Verantwortung der Verlage

Die Macher der Messe verweisen auf die Verantwortung der Aussteller - also der Verlage. "Tatsächlich besteht das Programm jeder Frankfurter Buchmesse hauptsächlich aus Veranstaltungen, die unsere Aussteller*innen organisieren. Und diese sind stets von den aktuellen Debatten und dem Zeitgeist bestimmt", erklärte Frank Krings, PR-Manager der Buchmesse Gesellschaft, auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Er finde im Veranstaltungskalender zwar "38 Events zum Stichwort Religion und Spiritualität", davon seien viele allerdings dem Spektrum Lebenshilfe und Spiritualität zuzuordnen, das seit Jahren ein erfolgreiches Genre im Buchhandel darstelle. Auf der Messe spiegelten sich in den Veranstaltungen der Verlage die Trends der Branche wider. Was die "geringe Zahl evangelisch und katholisch geprägter Veranstaltungen" betreffe, dazu fehle ihm die Expertise. Man könne ja den Katholischen Medienverband befragen.

Konrad Höß, Projektleiter dieses Verbands, sagte beim Auftakt der Buchmesse in einem KNA-Interview: "Kirche und Religion spielen auf der Messe per se keine Rolle, solange es nicht ein Thema gibt, das von allgemeinem Interesse ist." Er verwies darauf, dass es 2019 eine sehr gut besuchte Veranstaltung im Lesezelt der Buchmesse mit Grün und dem wegen Untreue verurteilten früheren Topmanager Thomas Middelhoff gab. Höß' Fazit: "Wenn man aus der Nische herauskommen will, muss man aktiv werden und ein zugkräftiges Thema beziehungsweise eine interessante Person bieten."

Quelle:
KNA