Brüssel einen Monat nach den Terrorattacken

"Das Leben geht weiter"

Die Terroranschläge haben das sonst so bunte und lebhafte Brüssel verstummen lassen. Langsam ist der Alltag zurückgekehrt. Nun sind die Gedenkorte nicht nur Plätze der Trauer, sondern auch des Lebens und des Austauschs.

Autor/in:
Franziska Broich
Gedenken an die Opfer am Place de la Bourse in Brüssel / © Federico Gambarini (dpa)
Gedenken an die Opfer am Place de la Bourse in Brüssel / © Federico Gambarini ( dpa )

Am 22. März setzten die Terroranschläge Brüssel unter Schock. Die Straßen blieben menschenleer, Bars und Supermärkte geschlossen. Die Blumen vor der Metrostation Maelbeek, dem Ort eines der Anschläge, sind mittlerweile verwelkt. Die Station ist immer noch geschlossen. Den Eingang und den Bürgersteig säumen Plakate, Kränze und Kerzen. Mit Kreide haben Menschen Botschaften an die Wand geschrieben. Daneben geht das Leben weiter. Hunderte Menschen gehen jeden Tag auf ihrem Weg zur Arbeit vorbei. Die EU-Institutionen sind nur ein paar Meter entfernt.

Es sei "merkwürdig", einfach an dem Gedenkort vorbeizugehen, sagt Laura Couvreur. Die 22-jährige Studentin ist stehengeblieben, hält einen Moment inne. Sie sei geschockt gewesen, aber nun habe der Alltag sie wieder eingeholt. Jeden Tag nehme sie die Metro. "Wenn wir durch die Station Maalbeek fahren, sind alle Menschen still", sagt sie. Schon an der nächsten Station gingen die Gespräche weiter. "Das Leben geht weiter", sagt sie, wirft einen letzten Blick auf die Blumen und geht weiter, die Straße hinauf.

Einige Stationen noch geschlossen 

Die Metros fahren tagsüber wieder; nur einige Stationen sind noch geschlossen. Abderrahman Dadou sitzt mit seiner Tochter in der Metro Richtung Börse. Der 55-Jährige hat viele Jahre im Rheinland gelebt und spricht perfekt Deutsch. Nun wohnt er in Sint-Jans-Molenbeek. In der Stadt hat er seine Tochter von der Schule abgeholt. Molenbeek sei gar nicht so schlimm, wie es immer dargestellt werde. Es sei ein normaler Stadtteil, sagt er. Dann öffnen sich die Türen der Metro und die Menschen strömen heraus.

Im Stadtzentrum tobt das Leben an diesem Nachmittag. Die Sonne strahlt. Die Soldaten flanieren - wie überall in der Stadt - zwischen den Menschen mit Schultaschen, Kinderwagen und Einkaufstaschen. Mit ihren Maschinengewehren um die Brust gehen sie durch die Straße.

"Nicht im Namen des Islam"

Manchmal werden sie von Passanten angesprochen, dann plaudern sie ein bisschen. Doch es sei weniger geworden, erklärt einer der Soldaten, der seinen Namen nicht nennen darf. "Wir sind jetzt schon eineinhalb Jahre in der Stadt unterwegs - für die Menschen ist das nichts Neues mehr", sagt er. Direkt nach den Anschlägen sei die Stimmung angespannt gewesen. Aber nun beruhige sich die Lage. Er sei stolz, dass er mithelfe, die Stadt ein bisschen sicherer zu machen.

Vor dem Gebäude der Börse ein Meer aus Blumen. Obwohl hier kein Anschlag stattfand, ist er zum zentralen Gedenkort für die Opfer geworden. Viele Touristen, aber auch Brüsseler, bleiben stehen, machen ein Handy-Foto. Eine ältere Dame sagt, sie sei so traurig. Es gebe keine Religion, die solche Terroranschläge erlaube. Über den Blumen hängen Flaggen und ein großes Plakat: "Nicht im Namen des Islam".

Belebter Gedenkort 

Auf der Treppe zur Börse hinter dem Blumenmeer sitzen ein paar Jugendliche und genießen die Sonne, lesen oder unterhalten sich. Der Gedenkort ist belebt. Ein Ort zum Innehalten, aber auch ein Ort, der Brüssels bunte, fröhliche Gesellschaft widerspiegelt. Ilina Chapkanova (27) sitzt auf der Treppe und beobachtet die Menschen. Die Bulgarin ist zu Besuch bei Brüsseler Freunden. Die Reise abzusagen, kam für sie nicht infrage. "Für mich ist es ein Statement, hier zu sein", sagt sie. Die Gesellschaft dürfe sich von den Terroristen nicht einschüchtern lassen. Den Platz auf der Treppe habe sie sich bewusst zum Warten auf ihre Freunde ausgesucht.

Ninon Van Melle (18) und Insaf Lazam (18) haben es sich auf einer Mauer ein paar Meter weiter gemütlich gemacht und teilen sich eine Tüte Fritten. Die Mädchen gehen in der Nähe zur Schule. Sie finden, die Situation in der Stadt habe sich verbessert. «Die Menschen geben jetzt mehr Acht aufeinander», meint Lazam. Sie selbst trägt ein Kopftuch. «Ich habe das Gefühl, dass sich jetzt Menschen mehr für meine Religion interessieren - aber im positiven Sinne», sagt sie. Es gebe mehr Verständnis und mehr Neugier für die anderen Menschen. Die Mädchen lächeln und tauchen ihre Fritten in die Mayonnaise.

 


Quelle:
KNA