Brot für die Welt über Ursachen von Wassermangel

"Wir essen viel mehr Wasser als wir trinken"

Der UN-Weltwasserbericht mahnt: Es braucht neue Lösungen für die Wasserbewirtschaftung. Dem schließt sich das Hilfswerk "Brot für die Welt" an. Referentin Andrea Müller-Frank über nötige Schritte zum "Wasser für Alle".

 (DR)

DOMRADIO.DE: Sie sind für "Brot für die Welt" beim Weltwasserforum in Brasilia – und parallel auch noch beim Alternativen Forum der Zivilgesellschaft dabei. Wie sieht Ihre Arbeit vor Ort aus?

Andrea Müller-Frank (Referentin für Recht auf Nahrung bei "Brot für die Welt"): Wir nehmen an zahlreichen Diskussionsveranstaltungen mit unseren Partnerorganisationen teil. Zu unseren Partnerorganisationen gehören brasilianische Indigenengruppen und Kleinbäuerinnen- und Kleinbauern, aber auch Partnerorganisationen aus Indien und Mosambik, die uns von ihren Problemen berichten.

Wir haben bereits auf dem Weltsozialforum angefangen zu diskutieren und wollten wissen: Was sind ihre Kernforderungen an die Welt-Wassergemeinschaft, die nach Brasilia gekommen ist? Auch heute setzen wir den Dialog mit den Wasserexpertinnen und Wasserexperten fort. Heute Nachmittag haben wir einen Termin mit der FAO (Anm. d. Red.: UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft) und sind gespannt, wie wir beim Thema "Wasserstress" durch die landwirtschaftliche Nutzung von Wasser weiterkommen.

DOMRADIO.DE: Sie waren gestern bei der Veröffentlichung des Weltwasserberichts in Brasilia dabei. Welche Zahlen der UN sind besonders alarmierend?

Müller-Frank: Gegenwärtig leben 3,6 Milliarden Menschen (korrigiert durch Redaktion) in Regionen, die unter Wassermangel leiden. Das heißt, dass ihnen zumindest einen Monat lang garantiert kein Wasser zur Verfügung steht. Der Grund dafür ist zum einen der Klimawandel, zum anderen die Entnahme von Wasser in diesen Regionen. Perspektivisch könnte sich das bis 2050 ausweiten auf 5,7 Milliarden Menschen, die von aktuem Wassermangel über einen längeren Zeitraum betroffen sein könnten.

Besonders drastisch ist die Lage von Kleinbäuerinnen, denn sie leben vom Wasser und hängen dementsprechend vom Regen ab. Ernteausfälle führen dazu, dass die Schwächsten in den kleinbäuerlichen Regionen ihren Lebensstandard extrem einschränken müssen. Frauen und Mädchen leiden am meisten darunter. Die Landwirtschaft ist eines der größten Opfer des wachsenden Wassermangels. Gleichzeitig ist es der Bereich mit viel Potenzial, wenn wir es schaffen, nicht soviel Wasser zu verschwenden.

Wir haben im Vorfeld des Weltwasserforums analysiert, inwiefern Deutschland einen Einfluss auf Wasserknappheit hat und haben uns angeschaut, von wo wir Agrarprodukte importieren. Die Analyse ergab, dass ein Drittel der von Deutschland exportierten Agrarprodukte aus Ländern mit Wasserknappheit kommen – etwa Baumwolle, Reis, Nüsse aus sehr wasserarmen Regionen in Pakistan, der Türkei und Ägypten. Hier müssen wir tätig werden und sicherstellen, dass der Export dieser Produkte nicht dazu führt, dass es in lokalen und ländlichen Gemeinden zu extremen Wasserprobemen kommt, unter denen die Schwächsten am meisten leiden.

DOMRADIO.DE: Das heißt, der Hauptgrund für diese Wasserknappheit ist neben dem Klimawandel unser eigenes Essverhalten?

Müller-Frank: Ja richtig, wir essen viel mehr Wasser als wir trinken. Das ist den wenigsten bewusst. Und wir Deutsche sind uns auch nicht im Klaren darüber, dass wir Teil der Wasserproblematik in anderen Ländern sind. Aber es wird intensiver Agrarbewässerungsanbau betrieben, wo unglaublich viel Wasser veschwendet wird. Oder es wird auf sehr unnachhaltige Weise sehr großflächig Landwirtschaft betrieben und keine Rücksicht genommen auf Wassereinzugsgebiete und den Wasserzugang für lokale Gemeinden.

Wir haben das in den letzten Jahren beobachtet: Es gab wachsende Investionen, weil sich der Weltmarkt für Agrargüter interessant entwickelt hat. Da haben sich Investoren gezielt auf die Ländereien konzentriert, wo es Wasserquellen gibt, um das ganze Jahr über Produkte produzieren zu können, die der Weltmarkt will. Dabei kommt dann so etwas zustande wie dass in der Trockensavanne Kaffee angebaut wird, der bewässert wird – und das ist natürlich irrationaler und verschwenderischer Wasserverbrauch, der so nicht passieren darf.

DOMRADIO.DE: In Brasilien diskutiert man gerade darüber, wie man das vermeiden kann. Welche Lösungen gibt es denn da?

Müller-Frank: In Brasilia sprechen wir zunächst über die Probleme. Es ist wichtig, dass die Kleinbäuerinnen überhaupt gehört werden. Auf dem Alternativen Forum ist ein großes Thema, dass die Kleinbäuerinnen aus Chile daruner leiden, dass der Avocado-Export zunimmt. Die Kleinbäuerinnen aus der Trockensavanne in Brasilien sagen: Wir müssen viel nachhaltiger wirtschaften und mit der Dürre leben. Wir müssen uns an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen. Und eben nicht auf große Investitionsprojekte setzen, die über Bewässerungs-Landwirtschaft große Profitmargen für die Wirtschaft erzielen, die nicht bei den Kleinbäuerinnen ankommen.

Das ist der Knackpunkt: Wie kann man auf kommunaler Ebene das Wasser so verwalten, dass es vor Ort auch ländliche Volkswirtschaften unterstützt und Nahrungs- und Trinkwassersicherheit garantiert, so wie es von der UN vorgegeben ist. Bevor man Wasser exportiert, muss das Recht auf Trinkwasser und das Recht auf Nahrung garantiert werden. 

Das Interview führte Christian Schlegel.


Bewässerung eines Feldes / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Bewässerung eines Feldes / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
DR
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